Teufelsmond
gleich zwei dieser Punkte. Meine Mutter starb im Kindbett, und ich habe dem Priester auf die Kutte geschissen, als er mir das Weihwasser über den Kopf goss, sodass die Rechtmäßigkeit der Taufe von vielen angezweifelt wird. Meine Stiefmutter lebt also in der ständigen Furcht, dass ich bald sterbe. Es ist nicht so, dass sie mich groß betrauert hätte, aber ein Nachzehrer zieht die anderen der Familie mit sich in den Tod. Das wären also sie selbst, ihre leiblichen Kinder und ihr Mann. Wenn ich erst mit Leberecht verheiratet bin, so hofft sie wohl, dann trifft es seine Familie. Deshalb konnte sie es nicht abwarten. Deshalb wollte ich weg aus dem Weiler, weg von all dem. Aber jetzt, scheint es, hat es mich eingeholt, oder?»
Pater Fürchtegott hielt inne. Er stieß den Spaten in die Erde und breitete die Arme aus: «Komm her zu mir, Mädchen», sagte er leise und mit einer Stimme, die so warm und freundlich klang, dass Karla nichts lieber tat, als sich in die Arme des Paters zu flüchten. Sie schlang ihre Arme um seinen Leib, presste das Gesicht gegen seine Brust. Und auf einmal begann sie zu weinen. Sie schluchzte, dass ihre Schultern bebten, und Pater Fürchtegott hielt sie fest, strich ihr über den Rücken und flüsterte leise: «Alles wird gut werden, Kind. Du musst dich nicht mehr fürchten. Niemand kann dir etwas anhaben.»
Er hatte den Blick dabei auf das Dorf geheftet, das sich langsam aus der Dämmerung schälte. Aber er sah nicht den Mann, der sich am Rande des nahen Waldes verbarg und ein Grinsen im Gesicht trug, das einer schauerlichen Maske glich.
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Neunzehntes Kapitel
Karla lag auf ihrem Strohsack und lauschte den Geräuschen im Haus. Die Schultern taten ihr weh von der Schaufelei, Angst hockte in ihrem Herzen und färbte die Gedanken trüb. Durch das Fenster drang ein schmaler Streifen Dämmerlicht. Im Haus war alles ruhig. Pater Fürchtegott war gleich nach ihrer Heimkehr ins Bett gegangen, der Dippel lag in guten Träumen, und auch die Else schien gut und fest zu schlafen. Nur Karla fand keine Ruhe. Ihre Gedanken waren bei der Michelsmühle und beim schwarzen Jo. Heute Abend hatten die Männer nur den Friedhof geschändet. Wie lange würde es dauern, bis sie sich an den Leuten in der Mühle vergingen? Karla sah das Gesichtchen der winzigen Rosemarie vor sich, das versteinerte Gesicht der alten Michelsmüllerin. Hatten sie nicht schon genug gelitten? Plötzlich hielt es sie nicht mehr im Bett. Sie schlüpfte in die Stiefel, kroch in ihren Umhang und verließ das Pfarrhaus. Eilig durchquerte sie das Dorf, hatte keinen Blick für die Fenster und Türen, hatte kein Ohr für das Klappern, das aus dem Stall des Glenbauern drang, und sah nicht einmal den Hettrich, der auf einer Bank vor seinem Haus saß, den Kopf gesenkt, die Schultern geduckt, den Blick auf seine Füße gerichtet.
Schon hatte Karla die Handelsstraße erreicht. Hinter dem Rimberg wurde es hell und heller. Die ersten Bäume schälten sich aus dem Morgenlicht. Karla hetzte weiter, trommelte kurz darauf mit beiden Fäusten gegen die Tür des Michelsmüllerhauses.
Oben ging ein Fenster auf. Der Kopf des schwarzen Jo erschien mit wirren Haaren. «Was ist?»
«Kommt runter, schnell!» Karlas Stimme durchschnitt die Stille wie ein Gewitterdonner.
Das Fenster klappte zu, und schon waren Schritte auf der Treppe zu hören, ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, und der schwarze Jo stand vor ihr.
Karlas Atem ging in raschen Stößen. Sie war noch erhitzt vom Lauf, und als der junge Michelsmüller vor ihr stand, konnte sie die Röte spüren, die ihr in die Wangen schoss.
Der schwarze Jo nahm ihre Hände, drückte sie kurz. «Was ist geschehen, um Herrgotts willen, dass Ihr so früh kommt?»
Karla schluckte. «Die Dörfler. Sie haben Euren Vater ausgegraben.»
«Ihr zittert ja. Den Vater ausgegraben? Warum dies?»
«Es … es war schrecklich. Euer Vater, sein Bauch war gebläht, als hätte er vier Schweinshaxen auf einmal verdrückt. Und aus seinem Mund … aus dem Mund … da … da kam Blut.»
« WAS ?»
«Es ist, wie ich es sage.»
Der schwarze Jo packte Karla bei der Hand, zog sie mit sich in die Scheune, verschloss die Tür mit einem Balken, drückte Karla auf einen Strohballen und hockte sich davor. «Erzählt!», forderte er. «Langsam und der Reihe nach!»
Karla sprach, erwähnte jede Einzelheit, die ihr einfiel, holte Luft zwischendrin, wenn die Worte größer wurden als ihr Mund, seufzte, ließ
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