Teufelspfad
zurück auf vertrautes Terrain, an einen Ort, von dem sie wusste, dass sie sich dort vernünftig schützen konnte.
Die ganzen Agents. Sie beneideten Hall nicht um seine Aufgabe, die Familien zu informieren. Doch würde er das erst tun müssen, wenn sie alle Spuren an allen Tatorten gesichert hatten.
Ihr kam ein verrückter Gedanke, der wie ein Sturm durch ihren Kopf toste. Könnte die falsche Sansom der Pretender sein? War es möglich, dass es sich die ganze Zeit um eine Frau gehandelt hatte?
Auf den zweiten Gedanken erschien ihr dies doch eher unwahrscheinlich. Sie hatten DNA von verschiedenen Tatorten, aber dort falsche Spuren zu hinterlassen war einfach. Sie rief sich in Erinnerung, wie die Frau sich vorgebeugt hatte, um alle Einzelheiten zu hören; bei der Beschreibung der verschiedenen Morde hatten ihre Augen geleuchtet.
Nein, das fühlte sich nicht richtig an. Es war zwar möglich, aber so unwahrscheinlich, dass Taylor die Gedanken aus ihrem Kopf verbannte. Dieser Verrückte war ein Mann, der Frauen benutzte und sie dann wegwarf wie ein benutztes Taschentuch – auf den Boden geworfen, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
Als der SBI-Agent mit ihnen fertig war und anfing, den Tatort zu sichern, rief sie ihre Chefin, Commander Joan Huston, an und berichtete von den Neuigkeiten. Mit Huston zu sprechen half Taylor, sich zu beruhigen – ihre Chefin war so pragmatisch wie kompetent. Huston versicherte Taylor, dass Fitz gut angekommen war und später am Tag von den Augenspezialisten im Vanderbilt operiert werden würde. Lincoln Ross würde die ganze Zeit über bei ihm bleiben.
Endlich hatte Taylor das Gefühl, wieder atmen zu können. Fitz war in Sicherheit.
Jetzt konnte sie sich auf die vor ihr liegenden Probleme konzentrieren.
Das Polizeirevier von Nags Head glich einem aufgescheuchten Ameisenhügel. Kriminaltechniker waren ausgeschwärmt. Die Leichen mussten noch abtransportiert werden, doch im Moment waren noch zu viele Beweise zu sichern. Trotz der Kälte taumelte eine einsame, vom Blut betrunkene Fliege durch den Flur. Taylor schlug nach ihr und verfehlte sie. Fluchend sah sie zu, wie sie in einem Lüftungsloch verschwand. Die Fliege würde zurückkommen, und sie würde Freunde mitbringen. Taylor hoffte, dass sie schnell hier fertig waren.
Baldwin und sie wurden in verschiedene Räume gebracht, um Phantombilder von den drei Verdächtigen erstellen zu lassen. Taylor vermisste die alten Zeiten, als noch wirkliche Künstler die Bilder gezeichnet hatten. Die Software, mit der man heute arbeitete, war zwar schnell und bequem, doch es fehlte ihr ein gewisses Maß an Perfektion, die Möglichkeit, durch leichte Schattierungen die Feinheiten herauszuarbeiten, wie es nur ein Mensch mit einem Bleistift konnte. Während der Officer ihre Beschreibung der Verdächtigen ins Programm eingab, erfasste Taylor ein bizarres Gefühl des Dejá-vu. Ein anderer Künstler auf einem anderen Polizeirevier, dem sie eine genaue Beschreibung des Mannes gab, den sie für den Pretender hielt.
Dieser Fall. Dieser verdammte Fall mit seinen vielen Theorien und Vermutungen. Sie musste ihn aufhalten. Etwas anderes hatte in ihr im Moment keinen Platz.
Als sie mit den Phantombildern fertig waren, trafen sie sich zu einem weiteren Debriefing mit Hall. Es fand in dem gleichen Raum statt, in dem sie den Vormittag mit den Mördern verbracht hatten.
„Ich habe gerade einen Anruf erhalten. Am Highway 64 wurde in der Nähe von Plymouth eine Leiche gefunden. Die Beschreibung passt auf den Mann, der sich hier als Eliot Polakis vorgestellt hat.“
„Wie ist er ums Leben gekommen?“, fragte Taylor.
„Ein Schuss in den Kopf, dann wurde er aus dem Auto geworfen. Er lag am Straßenrand und sah genauso aus, wie Leichen aussehen, wenn sie aus dem fahrenden Auto geschubst werden.“
„Also gibt es im Auto jetzt Blutspuren.“
„Dafür müssen wir sie erst einmal finden. Es gibt in dieser Gegend so viele einsame Straßen und Brücken und Wege – sie könnten das Auto irgendwo stehen lassen und sich ein anderes nehmen. Wir würden Wochen brauchen, um es zu finden.“
„Aber sie wenden sich jetzt gegeneinander. Das ist gut. Vielleicht tun sie uns einen großen Gefallen und eliminieren sich gegenseitig“, sagte Baldwin.
Taylor schenkte ihm ein humorloses Lächeln. „Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Aber vermutlich war das von vornherein so geplant. Zu viele Köche verderben den Brei, vor allem wenn man Befehle von einem
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