Nächstes passieren würde.
Baldwin musterte sie besorgt. Bald würde die Sonne untergehen, ihre goldroten Strahlen wurden von den sie umgebenden Gebäuden reflektiert. Der Himmel würde noch einmal in Flammen stehen, bevor die Dunkelheit sich herabsenkte.
„Mir geht es gut“, brachte sie hervor.
„Ich bringe dich nach Hause. Du hattest einen langen Tag.“
„Nein, ich kann noch nicht nach Hause. Ich muss ins Büro. Ich bin so weit hinterher. Ich muss nur versuchen … die Sache irgendwie in den Griff zu kriegen. Ich bringe mir was zu Arbeiten mit nach Hause, okay? Fahr du schon mal vor. Es dauert nicht lang. Wir können zusammen essen. Oder es zumindest versuchen.“
„Bist du sicher? Ich kann auch noch ein wenig arbeiten, in deiner Nähe bleiben, ein paar Anrufe tätigen. Du hast immer noch Urlaub. Vielleicht schicken sie dich gleich wieder nach Hause.“
„Nein, wirklich, alles gut.“
„Du musst alleine sein.“
Er sagte das ganz neutral, ohne verletzten Unterton.
Sie rang sich ein Lächeln ab und schaute ihm in die Augen. Versuchte, ihm die Sorgen zu nehmen. „Du kennst mich zu gut. Ja, ich muss einen klaren Kopf kriegen. Ihn dermaßen verletzt zu sehen, bringt mich beinahe um.“
„Und dagegen hilft Papierkram?“
„Ja, hirnlose Tätigkeiten. Ich brauche nur eine Stunde oder so. Okay?“
Baldwin zog sie in seine Arme und drückte sie eng an seine Brust. Sie erschauerte. Er war so warm. Immer so warm. So gut. So richtig.
„Okay. Wenn du es so willst, dann machen wir es so. Soll ich dich absetzen?“
„Ja, gerne.“
Sie wollte den Trost seiner Umarmung in Flaschen abfüllen und immer bei sich tragen. Stattdessen konzentrierte sie sich jedoch auf das Gefühl der Sicherheit, auf seine Stärke, auf das Wissen, dass er alles für sie tun würde. Das musste reichen. Zumindest für den Moment.
Denn wenn sie mit dem Pretender fertig wäre, würde Baldwin sie vielleicht nie wieder mit den gleichen Augen sehen.
14. KAPITEL
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: Denver
Lieber Troy ,
lange Fahrt. Bin in Kürze da. Erwarte keine Verzögerungen .
ZK
Er war müde von der Fahrt. Das Holpern der Reifen auf der Straße machte ihn langsam verrückt. Er war zu groß für das Auto. Der verbeulte kleine Mietwagen war nicht mehr als ein Stück Plastik. Er fuhr nicht gerne. Es wäre einfacher und schneller gewesen, zu fliegen, aber er musste den Anweisungen bis aufs i-Tüpfelchen folgen. Er hatte die schnellste Route genommen – die I-5 nach Süden in Richtung L.A., dann quer rüber auf die nordöstlich verlaufende I-15. Er fuhr die Nacht hindurch und dann direkt in die aufgehende Sonne. In Vegas hatte er zwei Stunden verloren – in der Eintönigkeit der Vororte war das Haus des Opfers schwer zu finden gewesen. Aber schließlich war es ihm gelungen, und er hatte mit der von ihm erwarteten Gründlichkeit zugeschlagen.
Umbringen und abhauen – so lautete die Regel. Kein Herumspielen mit den Leichen. Was er bedauerte. Nach dem Pärchen in San Francisco und seiner Reaktion auf das Blut war er neugierig, wie es wohl wäre. Sie würden sich nicht bewegen, oder? Aber sie wären noch immer warm.
Doch das würde gegen die Regeln verstoßen.
Monotonie. Er schaltete zur Unterhaltung das Radio an. Die konservativen Talkshows gefielen ihm am besten – sie brachten sein Blut zum Kochen. Er träumte oft davon, bei einer von ihnen anzurufen und den Schweinehunden genau zu erzählen, was er gerne mit ihnen anstellen würde. Wie er sie Stück für Stück auseinandernehmen würde. Sie hatten alles – Geld, Drogen, Frauen. Dieser Limbaugh hatte sogar gerade zum zwanzigsten Mal oder so geheiratet. Und dieser englische Volltrottel Elton John hatte live auf der Hochzeit gespielt. Er hatte immer gedacht, dass Elton John ein Liberaler war – immerhin war er doch durch und durch schwul. Aber offensichtlich ließ sich jeder kaufen, wenn die Summe nur hoch genug war. Auf ihn selber traf das zumindest zu.
Weiter ging die Fahrt, seine Gedanken rasten, die Menschen im Radio lamentierten.
Die untergehende Sonne tauchte blutrot in seinem Rückspiegel auf. Der Mond erhob sich schwer und voll, kurz danach kamen die ersten Sterne, Stecknadelköpfe in der pechschwarzen Nacht, die aus ihren himmlischen Betten hervorblitzten. Für weitere Stunden vermischte sich das Licht seiner Scheinwerfer mit dem des Mondes, erhellte den Weg, die unzähligen Meilen der leeren, einsamen Straße, die vor ihm lag. Schließlich