Teufelspfad
Natürlich gab er ihr die Schuld, und sie verfielen in einen bitterbösen Streit und schrien sich gegenseitig an, bis man sie schließlich trennte. Es war nicht schön anzusehen.
Als Betty endlich aus dem Gefängnis kam, zögerte sie nicht. Voller Wut fuhr sie nach Atlanta und passte Roger nach dem Schlagtraining am Stadionausgang ab. Das war kurz vor Ende der Saison. Sie erschoss ihn einfach. Der Mann hatte keine Chance. Betty lief weg, und erst konnte sie niemand identifizieren. Die Polizei von Atlanta hat aber wirklich gute Arbeit geleistet. Sie spürten ein Videoband auf, das zeigte, wie sie zwei Minuten nach dem tödlichen Schuss vom Stadion wegrannte. Sie fanden sie in einem flohverseuchten Motel außerhalb der Stadt. Sie hatte die Waffe noch bei sich und wurde gleich vor Ort verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Dieses Mal für immer. Der Prozess dauerte nur wenige Tage. Der Fall war sonnenklar. Man dachte darüber nach, die Todesstrafe zu verhängen, aber der Staatsanwalt hier in Atlanta gab sich mit lebenslänglich zufrieden. Ich denke, er wusste, dass ein Todesurteil in einem Berufungsprozess aufgehoben werden könnte, weil sie eine so offensichtlich gestörte Frau war. Der Richter stimmte zu, und sie wurde zu hundert Jahren oder so verurteilt. Sie schickten sie ins Metro State Prison in Atlanta – da kommen die psychiatrischen Langzeitfälle hin – und das ist das Letzte, was wir von Miss Betty gehört haben.“
Morgan tauchte eine Handvoll Pommes frites in Ketchup und steckte sie sich genießerisch in den Mund. Taylor wartete geduldig, bis er zu Ende gekaut hatte, und fragte dann: „Was wurde aus Ewan und Errol?“
Morgan antwortete nicht sofort. Er neigte den Kopf hart nach rechts, dann nach links. Dabei grunzte er leise, als genieße er das leise Knacken, das diese grobe Bewegung begleitete. Nachdem er mit seiner chiropraktischen Übung fertig war, holte er einen Zahnstocher aus einer vorderen Hemdtasche und steckte ihn sich zwischen die Lippen.
„Tja, die Jungen blieben hier in Forest City. Ewan war vierzehn, als seine Mutter weggebracht wurde. Errol hatte man aus dem Krankenhaus entlassen, sein Gewicht war wieder im normalen Bereich angekommen, aber er war immer noch sehr klein. Ohne Edward, der auf sie aufpasste, hielt man sie für zu jung, um alleine zu bleiben. Ewan und Errol wurden zu Mündeln des Staates erklärt. Errol war immer ein zartes Kind, er lebte noch ein knappes Jahr, dann brachte er sich um. Die Wohngruppe, in der sie lebten, war ein trauriger Ort voller ungewollter oder unwilliger Kinder. Der Heimleiter fand Errol an einem Seil in seinem Schrank hängend. Er war schon über einen Tag tot, und niemandem war es aufgefallen.“
„Das arme Kind. Die Schande des Untergangs seiner Familie war zu viel für ihn. Das beobachtet man bei Münchhausenfällen sehr oft. Die Überlebenden sind nicht in der Lage, mit ihrem Leben zurechtzukommen“, sagte Baldwin. „Vorausgesetzt, Ewan hatte nicht seine Hände im Spiel.“
„Das kann ich wirklich nicht sagen. Das Kind war zutiefst depressiv, deshalb war es kein großer Schock. Doch warum hätte er Errol umbringen sollen? Oder Edward, falls dem so war?“
„Wir sind ziemlich sicher, dass er sehr jung angefangen hat. Seine ersten Versuche, anderen wehzutun, muss er als Teenager unternommen haben. Der Tod eines Geschwisterkindes durch seine Hand würde ins Profil passen.“
„Ah, ich verstehe“, sagte Morgan. „Nun, da ist noch mehr, das Ihre Fragen vielleicht beantwortet. Ewan ist also als Einziger übrig geblieben. Oberflächlich betrachtet wirkte er wie ein gutes Kind. Er war klug und kannte sich vor allem mit Computern aus. Er ging jeden Tag zur Schule. Hielt sich aus allem Ärger raus. Aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Als wenn er nur wartete. Wie eine Schlange kurz vor dem Fressen. Ich hatte mal eine Boa Constrictor. Sie liebte es, zu spielen. Sie schaute zu, wie die Maus um sie herumtanzte, ließ sie auf sich herumkrabbeln, und wenn die Maus dann dachte, sie wäre sicher, griff die Schlange an. Genauso war es mit Ewan Copeland. Er wartete ab. Spielte uns allen etwas vor.
Mit sechzehn vergewaltigte er eines der Mädchen in seiner Wohngruppe. Und zwar nicht einfach nur so, sondern er fügte ihm auch Schnittverletzungen zu. Hat ihm mit dem Messer den Bauch aufgeschlitzt. Dafür wurde er in den Jugendknast geschickt. Mit achtzehn wurde er wieder entlassen. Danach verschwand er, und niemand hat je wieder etwas von ihm gehört
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