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Teufelsstern

Teufelsstern

Titel: Teufelsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nur noch Wasser gesehen und mich gefragt habe, wie ich das überleben sollte, ohne ein Fisch zu sein. Es regnete schon, wenn ich aufgewacht bin, und es hat nicht mehr aufgehört. Es hat so gegossen, dass man nicht von einem Ende des Dorfes zum anderen gehen konnte, und wenn man hingefallen wäre, dann wäre man in einer Pfütze ertrunken.
    Eines Tages – ich muss ungefähr sechs gewesen sein – hat es so doll geregnet, dass der Fluss über die Ufer getreten ist. Es war einfach zu viel Wasser, und es ist außer Kontrolle geraten. Es kam als riesige Flut den Berg hinunter. Es war wie ein Monster… braun und eiskalt. Die Wassermassen haben unser Haus zertrümmert. Ich erinnere mich noch daran, dass jemand eine Warnung gerufen hat, aber ich wusste nicht, was damit gemeint war. Und dann ist die ganze Welt explodiert. Ohne Feuer, sondern durch Wasser und Schlamm. Es ist alles rasend schnell gegangen. Sämtliche Häuser wurden zerstört. Menschen und Tiere… viele haben es nicht überlebt. Aber mich hat jemand gepackt und auf einen Baum gehoben, und ich hatte Glück. Der Baum muss starke Wurzeln gehabt haben, denn er wurde nicht ausgerissen wie die anderen. Ich blieb den ganzen Tag und die ganze Nacht auf diesem Baum, und als es Morgen wurde, war das Dorf nicht mehr da. Es war eine Art Sumpf geworden, in dem überall Tote lagen. Ich nehme an, dass meine Eltern und meine Schwester unter ihnen waren. Ich habe sie nie wieder gesehen, und niemand hat mir etwas gesagt. Also müssen sie alle ertrunken sein.«
    Pedro verstummte. Matt war erstaunt, wie ruhig Pedro über dieses Unglück berichten konnte. Er versuchte sich vorzustellen, wie grauenhaft das gewesen sein musste. Ein ganzes Dorf war ausgelöscht worden. Er nahm an, dass so etwas in vielen Teilen der Welt passierte, aber in britischen Zeitungen wurden solche Tragödien nur mit wenigen Zeilen erwähnt.
    »Danach war es schlimm für mich«, fuhr Pedro fort. »Ich glaube, ich wollte sterben. Es fühlte sich falsch an, dass meine Eltern tot waren und ich nicht. Ich wusste nicht, wo ich leben sollte. Es gab nichts zu essen. Rund um mich herum wurden die Leute krank. Aber ich wusste, dass ich es schaffen würde, was auch immer passierte. Es war, als würde mein Leben noch einmal von vorn anfangen.
    Die Überlebenden – es waren einige – entschieden sich dafür, nach Lima zu gehen. Es hieß, hier gäbe es Arbeit. Sie dachten, sie könnten sich ein neues Leben aufbauen. Ich bin mit ihnen gegangen. Ich war der Jüngste, und sie wollten mich nicht mitnehmen. Aber ich bin ihnen einfach gefolgt, und dagegen konnten sie nichts tun.
    Aber als wir in die Stadt kamen, war alles ganz anders, als wir gedacht hatten. Niemand wollte uns sehen. Niemand wollte helfen. Wir waren desplazados. Das sind Leute, die kein Zuhause haben. In Lima gab es schon genug Arme, die hungerten und starben. Sie wollten nicht noch mehr.
    Eine Frau hat mich aufgenommen. Sie hat zusammen mit ihrem Bruder in einem der Armenviertel gelebt. Ich musste für sie arbeiten und Essensreste aus Mülltonnen suchen. Ich habe das gehasst! Ich bin morgens um fünf aufgebrochen, bevor die Müllabfuhr kam, und ich habe alles genommen, was ich finden konnte. Obst und Gemüse, das noch nicht zu sehr verrottet war. Vom Fleisch abgeschnittene Fett- und Sehnenteile. Alles Reste vom Tisch reicher Leute. Davon haben wir gelebt, und wenn ich nicht genug gefunden habe oder es zu vergammelt war, haben sie mir nichts zu essen gegeben und mich verprügelt. Irgendwann bin ich dann weggerannt. Ich hatte Angst, dass sie mich umbringen würden, wenn ich bei ihnen bliebe.
    Das ist meine Geschichte. Und was denkst du jetzt? Ich werde dir auch den Rest erzählen. Du wolltest wissen, wer Sebastian ist. Das weiß niemand so genau, und zu fragen trauen wir uns nicht. Ich habe gehört, dass er Universitätsprofessor war, bis ihm die Frau weggelaufen ist und er angefangen hat zu trinken. Andere behaupten, dass er Kellner in einem vornehmen Hotel war und dass er dort gelernt hat, verschiedene Sprachen zu sprechen. Ich bin jedenfalls in die Giftstadt gegangen, um von der Frau und ihrem Bruder wegzukommen. Hier habe ich Sebastian getroffen, und er hat mich aufgenommen.
    Er ist kein schlechter Mensch. Er schlägt mich nur, wenn er sehr betrunken ist, und bisher hat er sich dann immer am nächsten Tag entschuldigt. Alle Kinder hier im Haus arbeiten für ihn. Er hat mir beigebracht, wie man vor den Autos der Touristen jongliert. Manchmal kriege ich

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