Teufelsstern
und sagte nur ein paar Worte.
»Pedro meint, dass du jetzt weißt, wie sich ein peruanischer Junge fühlt«, antwortete Sebastian. »Aber du bist immer noch zu groß. Du musst lernen, gebückt zu gehen. Achte darauf, nie größer zu wirken als Pedro. Und von jetzt an bist du nicht mehr Matt. Du heißt in Zukunft Matteo. Hast du das kapiert?«
»Matteo!« Pedro wiederholte den Namen. Matts Verwandlung schien ihm Spaß zu machen.
Sebastian blieb ernst. »Du musst Lima verlassen«, sagte er. »Wenn du meinen Rat befolgen willst, geh Richtung Süden nach Ayacucho. Da habe ich viele Freunde, die sich um dich kümmern werden. Vielleicht sucht die Polizei dort nicht nach dir.«
»Ich will aber nach Ica.«
»Du bist ein Sturkopf, ein ganz schön dummer – aber du hängst an deinem Freund, und das finde ich anständig.« Sebastian spuckte auf den Boden. »Meinetwegen. Du kannst in Ica Station machen, wenn du meinst, dass es Sinn hat. Der erste Bus fährt morgen Früh um sechs. Die Polizei wird den Busbahnhof ganz sicher überwachen – darüber müssen wir uns noch Gedanken machen.«
»Ich will nur Richard finden und wieder nach Hause«, sagte Matt.
»Das wäre für uns alle das Beste. Noch besser wäre es allerdings, wenn du gar nicht erst gekommen wärst.«
Matt nickte. Plötzlich war er verlegen. Seit er Sebastian begegnet war, hatte er eine gewisse Feindschaft zwischen ihnen gespürt – ohne zu wissen, woher sie kam. »Darf ich Sie etwas fragen?«
»Was?«
»Sie mögen mich offensichtlich nicht besonders. Warum helfen Sie mir trotzdem?«
»Du irrst dich. Es stimmt nicht, dass ich dich nicht besonders mag. Ich kann dich absolut nicht ausstehen. Dir haben wir es zu verdanken, dass die Polizei in unseren Hütten herumschnüffelt. Sie stellt Fragen und verhaftet unschuldige Menschen. Unser Leben wird die Hölle sein, bis du gefasst bist.«
»Warum liefern Sie mich nicht einfach aus?«
»Das ist genau das, was ich am liebsten täte. Aber Pedro hat es mir ausgeredet. Er hat gesagt, dass du irgendwie wichtig wärst. Und auf unserer Seite bist.«
»Woher weiß er das? Er kennt mich doch gar nicht.«
»Ja«, sagte Sebastian, »es ist merkwürdig. Normalerweise hätte er dein Geld und deine Uhr genommen und dich anschließend zurückgelassen, wo er dich gefunden hat. Er hätte nie riskiert, Ärger mit der Polizei zu kriegen. Und er hätte dich nicht hergebracht.«
»Und warum hat er es getan?«
»Pedro versteht es selbst nicht, aber er sagt, dass er dich kennt.« Sebastian schüttelte den Kopf. »Er sagt, er kennt dich aus seinen Träumen.«
DAS TRAUMGESPRÄCH
Acht Kinder schliefen auf dem Boden in Sebastians Hütte. Das jüngste war erst fünf, das älteste ungefähr siebzehn. Sie kamen nach und nach an, als es dunkel wurde. Einige hatten Schuhputzkästen dabei, andere Eimer und Schwämme. Matt sah sogar einen Jungen, der einen Korb mit bunten Fingerpuppen bei sich hatte. Sebastian musste ihnen schon von Matt erzählt haben, denn keiner schien sich über seine Anwesenheit zu wundern, und niemand versuchte, mit ihm zu reden. Sie aßen Bohneneintopf und verbrachten den Rest des Abends mit einem Spiel, zu dem Becher und kleine Holzwürfel gehörten. Die Hütte wurde von dicken weißen Kerzen beleuchtet. Matt vermutete, dass jemand sie aus einer Kirche gestohlen hatte. Er sah eine Stunde lang zu, wie die anderen die Würfel in ihren Bechern schüttelten und dann auf den Boden rollen ließen. Pedro spielte mit. Mehrmals warf er Matt einen kurzen Blick zu, und erstmals erkannte Matt eine gewisse Neugier in seinen Augen.
Er kennt dich aus seinen Träumen.
Sebastians Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Matt musterte den peruanischen Jungen, der sich auf sein Spiel konzentrierte und den Würfelbecher heftig schüttelte. Matt wusste natürlich, wer er war. Wie oft hatten sie schon zusammen in dem Binsenboot gesessen? Er ärgerte sich, dass er nicht schon früher begriffen hatte, dass Pedro der Junge aus seinen Träumen war.
Er dachte zurück an den Moment, in dem er aufgewacht war und feststellen musste, dass Pedro seine Uhr gestohlen hatte. Da war er ihm gleich bekannt vorgekommen. Aber nach allem, was passiert war, hatte er nur bis zum Ampelstopp vom Vortag zurückgedacht. Da hatte er Pedro zum ersten Mal gesehen. Aber dass es ihn gab, wusste er natürlich schon seit Jahren.
Pedro war einer der Fünf. Matt konnte förmlich hören, wie Susan Ashwood diese Worte aussprach. Sie wäre sicher total begeistert, wenn
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