Teufelsstern
anderen wussten längst, dass wir nach Peru kommen würden. Sie hatten uns erwartet. Das Problem war nur, dass Diego Salamanda und seine Leute es auch wussten. Die Indios mussten versuchen, ihm zuvorzukommen. Und sie waren sehr um dich besorgt, nachdem du ihnen entwischt warst. Sie haben seitdem nach dir gesucht. In ganz Peru waren Indios unterwegs, um dich zu finden. Mich haben sie mit dem Auto zu einem Privatflugplatz gebracht, dann mit dem Flugzeug nach Cuzco und schließlich mit dem Hubschrauber mitten ins Nirgendwo. Im Wolkenwald haben mich die Stechmücken fast aufgefressen, und auf dem Weg in die Schlucht hätte ich mich beinahe übergeben. Hatte ich jemals erwähnt, dass ich Höhenangst habe?«
»Nein.«
»Nun, seitdem bin ich hier. Sie haben mich freundlich aufgenommen, und das Essen ist sehr gut. Aber wie gesagt, ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Ich konnte es kaum glauben, als sie mir gesagt haben, dass sie dich in Cuzco gefunden haben. Diesen Geheimgang hätte ich zu gern gesehen! Vielleicht kannst du ihn mir eines Tages zeigen. Vielleicht auf dem Rückweg…«
»Wer sind diese Leute, Richard? Sie behaupten, dieser Ort wäre die verlorene Stadt der Inka. Aber es gibt doch keine Inka mehr, oder?«
»Eigentlich gilt das Volk als ausgestorben«, bestätigte Richard. Er hob den Krug, stellte fest, dass er leer war, und setzte ihn wieder ab. »Es sind die Nachfahren der wenigen Inka, die die Ausrottung ihres Volkes überlebt haben. Und die Stadt ist sozusagen ihr geheimes Hauptquartier. Ist dir der Pfad aufgefallen, der in die Schlucht hinabführt? Irgendwie gelingt es den Inka, ihn verschwinden zu lassen. Und Flugzeuge können dieses Tal nicht überfliegen, weil über ihm gefährliche Luftströmungen herrschen. Von diesem Ort wissen nur die Menschen, die hier leben – und jetzt auch du, Pedro und ich.«
»Und sie wollen uns helfen«, fügte Matt hinzu.
»Stimmt. Die Indios stehen auf der einen Seite und Diego Salamanda auf der anderen. Wenigstens wissen wir diesmal, wer der Feind ist.«
»Warum halten sie ihn nicht einfach auf? Schließlich wissen sie, wer er ist und wo sie ihn finden können.«
»Was sollen sie deiner Meinung nach tun? Ihn töten?«
Matt zuckte mit den Achseln. »Klar, warum nicht?«
»Dazu müssten sie erst mal an ihn rankommen, und er wird gut beschützt.«
»Sie könnten sich an die Polizei wenden.«
»Die gehört Diego Salamanda doch schon. Er ist einer der mächtigsten Männer Perus. Ein millionenschwerer Tyrann, und wenn er seine Geschäfte niederlegen sollte, geht das halbe Land den Bach runter. Nachrichten, Telekommunikation, Software… Erst letzte Woche hat er einen fünfzig Millionen Dollar teuren Satelliten ins All geschossen, den er aus eigener Tasche bezahlt hat. Er spielt Schach mit dem Präsidenten. Und zwar übers Telefon, und Salamanda hat allein für diesen Zeitvertreib eine separate Telefonleitung eingerichtet.«
»Wenn der Typ so reich und mächtig ist, warum will er dann das Tor öffnen? Was hat er davon?«
»Keine Ahnung. Vielleicht können die Alten seinen Kopf schrumpfen lassen. Vielleicht haben sie ihm das ewige Leben versprochen. Warum wollten die gruseligen Gestalten von Lesser Malling Raven’s Gate öffnen? Wenn du mich fragst, sind das alles Bekloppte.«
Richard verstummte. Von draußen drang die Musik einer Panflöte zu ihnen ins Zimmer. Sie hatte etwas Unheimliches. Matt sah aus dem Fenster in die Schlucht. Er hatte ganz vergessen, wie hoch oben sie waren. Der Abgrund schien kein Ende zu nehmen.
»Du hast gesagt, die Indios hätten schon auf uns gewartet. Doch woher wussten sie, dass wir kommen?«, fragte Matt.
»Atoc hat versucht, es mir zu erklären. Ich würde dir gern sagen, dass sie es in der Zeitung gelesen haben, aber es ist ein bisschen komplizierter. Die Inka wissen fast alles, was in Peru vorgeht. Ihre Leute leben im ganzen Land verteilt. Aber es ist noch etwas anderes im Spiel – sie benutzen Magie.«
»Magie?«
»Unter ihnen sind Männer und Frauen, die sie amautas nennen. Das sind Seher… du weißt schon, Menschen wie Miss Ashwood. Sie wissen von den Alten. Und von der Prophezeiung, in der dir eine zentrale Rolle zukommt. Vielleicht triffst du nachher einen von ihnen. Er ist schon älter. Ich habe etwas Zeit mit ihm verbracht, und ich habe gehört, dass er ungefähr hundertzwölf Jahre alt ist.«
Matt brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. »Sie wussten, dass ich komme«, wiederholte er. »Aber das
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