Teufelstod: Band 2 (German Edition)
Er verließ die Straße und kletterte den baumbewachsenen Hang hinauf. Der Schnee war trotz der dichten Kronen tief. Nur selten verirrte sich ein Sonnenstrahl hierher, und niemand betrat normalerweise den Wald abseits der Straße.
Emily warf Will einen Blick zu. »Du kannst noch umdrehen«, sagte sie behutsam. Doch wie erwartet schnaubte Will bloß und schüttelte den Kopf.
»Sie ist meine Freundin«, erwiderte er scheinbar gelassen. »Ich werde nicht untätig im Wagen sitzen und warten. Was auch immer sie getan hat, sie wollte bestimmt nichts Böses.«
Emily verdrehte die Augen, nahm ihm aber wortlos die Krücken ab, damit Jophiel ihn von der Straße hochziehen konnte. Schweigend bahnten sie sich ihren Weg zwischen dem Nadelgehölz hindurch, immer weiter den Berg hinauf. Sie waren noch nicht weit gegangen, da tauchten im Schnee wieder die Spuren zweier Menschen auf. Auch Damian und Annie mussten also hier entlanggegangen sein. Und als Emily den Kopf hob und zwischen den Bäumen hindurch nach oben blickte, wusste sie auf einmal wohin ihr Weg sie führen sollte. Dort vorne gab es keine Bäume mehr, keinen einzigen Strauch. Lediglich ein abschüssiges Schneefeld, das abrupt endete und in die Tiefe führte. An dieser Stelle war der Hang abgerutscht. Darüber lagen die Tropfsteinhöhlen, an jenem unheilvollen Tag das Ausflugsziel ihrer Klasse. Doch sie waren nie dort angekommen.
Emily schluckte und wagte es nicht mehr aufzusehen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den direkt vor ihr liegenden Weg. Jeden Schritt setzte sie so vorsichtig wie möglich. Sie wusste nicht, wie stabil das Gelände inzwischen war. Ihre Hand krallte sich mit aller Kraft in Wills Jacke. Eigentlich sollte sie ihn stützen, doch sie merkte bald, dass sie sich an ihm festhielt. Niemand sprach, nicht einmal Marita. Hier war Mandy gestorben. Irgendwo hier hatte der Pfad zu den Höhlen geführt, aber jetzt war von ihm nichts mehr zu sehen. Und wenn der Hang erneut zu rutschen begann?
Emily schüttelte den Kopf. Sie durfte nicht daran denken. Das Einzige, was nun zählte, war, Damian und Annie in Sicherheit zu bringen. Sie mussten gegen Luzifer bestehen, sonst würden all die Schrecken niemals ein Ende finden.
Der Höhleneingang präsentierte sich als weit aufklaffendes Maul in einer von Fichten gesäumten Steilwand. Er war bestimmt drei Meter hoch und doppelt so breit. Ein schwarzes Loch – wie der Eingang zur Hölle. Ein verlassenes Blockhaus mit herunterhängenden Fensterläden stand einsam und traurig am Rand dessen, was früher einmal eine Zufahrt gewesen war. Vermutlich waren dort Eintrittskarten und Souvenirs verkauft worden. Seit dem Erdrutsch waren die Höhlen aber nicht mehr zugänglich – zumindest nicht für die Allgemeinheit.
Jophiel ging voran. Emily und Marita folgten ihm mit Will in ihrer Mitte. Auch hier konnten sie Spuren erkennen, und es bestand kein Zweifel, dass Annie und Damian da drinnen waren. Einen besseren Ort hätte es für dieses unheilvolle Treffen nicht geben können. Die Höhle tat sich als schwarzer Schlund vor ihnen auf. Emily blickte hoch zur steinernen Decke und schauderte. Jetzt gibt es kein Zurück mehr , dachte sie und betrat den felsigen Untergrund. Sie ging in die Höhle, und es war ihr, als legte sie erneut das Amulett um ihren Hals, um Luzifer in den Abgrund zu folgen. Die ersten paar Schritte waren noch von hauchdünnen Schneeverwehungen bedeckt, dann gab es nur noch Stein und Finsternis. Je weiter sie vordrangen, desto schwärzer wurde es. Emily hörte Wasser tropfen, ein beständiges Rauschen – Leben vermochte sie aber keines auszumachen.
»Vorsichtig jetzt!« Jophiel ergriff Maritas Hand und bedeutete ihr mit einem Kopfnicken, nach Will zu fassen. So hielten sie sich alle an den Händen und tasteten sich langsam über den unsicheren Boden und durch die Dunkelheit vorwärts. Emily konnte gerade noch den unmittelbar vor ihr liegenden Weg und Jophiel an der Spitze ihrer kleinen Gruppe erkennen. Sie konnte sagen, ob der Weg weiterführte oder abfiel, doch das war auch schon alles. Es war ein schmaler Gang, durch den sie sich vorwärtsarbeiteten, der bald breiter wurde und in einem gigantischen Höhlenraum endete. Einzelne Lichtstreifen brachen durch die bestimmt sieben oder acht Meter hohe Decke und beleuchteten die unheilvoll herabhängenden Stalaktiten. Die Wände bestanden hier aus wild verwachsenen Gebilden, ohne bestimmte Form. Wie funkelnde Diamanten bevölkerten die Tropfsteine den
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