Teufelstod: Band 2 (German Edition)
diese Wahrnehmung einfach ab. Er entschied, die Hitze nicht zu fühlen, und so erreichte sie ihn auch nicht.
Unter sich konnte er den Spielplatz des Schreckens betrachten, und eine gewisse Genugtuung beschlich ihn beim Anblick der Qualen, die jene schrecklichen Seelen erlitten, die auch ihn folterten. Das habt ihr verdient , dachte er und erschrak sogleich über diesen Gedanken. Er durfte das nicht zulassen, er durfte nicht so fühlen. Konzentriert atmete er ein und aus und ließ seinen Blick schließlich wieder über das Feuermeer in der Tiefe schweifen. Die einzelnen Gerätschaften der Folter erstreckten sich weiter, als es ein Auge zu erfassen vermochte, aber Damian interessierte sich ohnehin nur für einen unter all den Gefangenen. Auf ein Rad gespannt stand sein Vater in Flammen, Arme und Beine waren seitlich weggestreckt und angenagelt. Damian winkte ihn näher. Er ließ die Beine über die Kante des Abgrunds baumeln und holte das Rad zu sich herauf. Auch dafür war ein einziger Gedanke ausreichend. Sein Vater sah ihm entgegen, als er aus den qualmenden Tiefen aufstieg und schließlich vor ihm in der Luft hängen blieb. Sein Körper war unversehrt, genauso das Rad, aber Damian wusste, das dem nicht so war. Der Schein trog.
»Nun?«, fragte er und bemühte sich um einen gleichmütigen Tonfall. Er versuchte jede Emotion abzuschalten. »Es sind jetzt zehn Wochen, Vater. Genießt du die Zeit? Du hast noch neunhundertneunundneunzig Jahre und zweihundertfünfundneunzig Tage vor dir, ehe du stirbst.«
Luzifer verzog die Lippen zu einem gezwungenen Lächeln. »Willst du mich betteln hören, Junge?«, fragte er höhnisch, doch seine Stimme war kraftlos, was die Wirkung etwas schmälerte. »Ich war zu lange Herrscher der Unterwelt, als dass mich der Tartaros noch verletzen könnte.« Er lachte auf, ein Geräusch, das sich bald zu einem Husten entwickelte. »Um mich musst du dich nicht sorgen, Junge. Wie steht es um dich? Was ist von dir noch übrig?«
Damian blinzelte verwirrt. Er hatte Schadenfreude, Hohn und Spott erwartet, aber sein Vater klang aufrichtig besorgt. »Ich komme klar«, erwiderte er rau und wich dem Blick der grünen Augen aus, die jedes Leuchten verloren hatten. Damian wusste, das Feuer brannte jetzt in ihm. Das Höllenfeuer.
»Wieso hast du mich dann gerufen?«, wollte Luzifer wissen. Er schien ehrlich an einer Antwort interessiert. »Hast du keine andere Familie, die du belästigen könntest?«
»Meine Schwestern sind im Tartaros, so wie du.«
Luzifer schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Böser Junge. Dann unterhalte dich eben mit den Todesengeln, nur lass mich in Ruhe! Übergib mich wieder dem Feuer! Ich mag das Kitzeln.«
»Auch die Todesengel sind im Tartaros«, erwiderte Damian ruhig. Diesmal hoben sich die Augenbrauen seines Vaters.
»Ach«, sagte er. »Solch einschneidende Veränderungen in so kurzer Zeit? Was hast du vor? Die Hölle alleine zu bewohnen? Hast du auch nur einen Moment darüber nachgedacht, was es bedeutet, die Todesengel zu verbannen?«
Damian hob den Kopf und blickte Luzifer direkt in die Augen. »Es bedeutet, dass die menschlichen Seelen ihr Leben nur noch in Begleitung von Schutzengeln führen. Sie werden nicht mehr von der Hölle beeinflusst.«
»Dummer Junge.« Luzifer presste die Lippen aufeinander und schloss einen Moment lang die Augen. Als er wieder hochsah, hatte er die Stirn gerunzelt. »Du spielst mit Gesetzen, deren Größe du nicht begreifst. Was willst du erreichen? Das Böse vollkommen vernichten?«
»So ungefähr.«
»Das ist nicht möglich. Damian, denk nach, ich beschwöre dich. Schicke die Todesengel zurück, du weißt nicht, was du tust.«
»Ich reinige diese Welt von dir und deinem Einfluss.«
»Du zerstörst das Gleichgewicht!«
»Ich zerstöre, was du geschaffen hast, mehr nicht.«
»Ich und die Götter vor uns! Es hatte einen Sinn! Wo Gutes ist, muss auch immer Böses sein, verstehst du das denn nicht? Wenn du die Todesengel verbannst, wird es ein Ungleichgewicht geben. Du musst den Tartaros nähren, du …«
»Nein.« Damian bemühte sich ruhig zu bleiben. Er durfte keine Wut zulassen. »Der Tartaros wird schwächer werden, er wird jegliche Macht verlieren, wenn ihm keine neuen Seelen zugeführt werden. Der Himmel wird sich ausbreiten und alles einnehmen. Das Gute wird herrschen.«
»Glaubst du das, ja? Glaubst du wirklich, dass der Tartaros dich nicht mehr quälen würde, wenn du ihn aushungerst? Dass du ihn ausreichend schwächen
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