Teufelstod: Band 2 (German Edition)
bewusst, dass er sich seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Auf Wills Kosten konnte er nicht ewig leben, und je schneller er aus diesem ständig bewachten Haus verschwunden war, desto besser. Etwas mehr Privatsphäre wäre im Moment wirklich nicht schlecht. Dann könnte er sich auch mal um die Sache mit Emily kümmern. Er war ja nicht blöd. Klar merkte er, dass sie ihn mied und wie sie ihn ansah – oder vielmehr nicht ansah –, aber er konnte ihr kaum begreiflich machen, wie toll die neuen Umstände waren, wenn er selbst noch nichts auf die Reihe gebracht hatte und jede Nacht zu einem Wrack mutierte. Seine Anfälle tagsüber waren auch nicht besonders hilfreich. Sobald er jedoch in dieser Welt Fuß gefasst hätte, würde er Emily wieder vor Augen führen, zu wem sie gehörte, und dann würde endlich alles so werden, wie er es sich vorstellte.
»Es gäbe Jobs im örtlichen Altenheim und bei einer Organisation für schwer erziehbare Jugendliche«, unterbrach der Pastor seine Gedanken. »Kannst du gut mit Menschen umgehen?«
Damian zog eine Augenbraue hoch.
Der Pastor nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Die Kirche sucht noch einen Gärtner«, sagte er schließlich und rollte mit seinem Stuhl an eines der Regale, um eine Mappe hervorzuholen. »Knochenarbeit für den Mindestlohn, zurzeit hauptsächlich Schneeräumung, Dachlawinensicherung, Salzstreuung, aber du hast deine Ruhe.«
Damian streckte die Hand nach dem Bewerbungsformular aus. »Wann soll ich anfangen?«
***
Das war ja mal ein interessantes Gespräch gewesen. Und nicht nur das. Damian besaß jetzt auch eine Geburtsurkunde, einen Ausweis, Meldezettel und sogar etwas Bargeld – ein Vorschuss für seine Arbeit im Dienste der Kirche. Wie erfreulich. Von nun an existierte er also offiziell als Mensch, und er hatte sogar einen Nachnamen erhalten: Teufel. Wie witzig. Und er hatte vorher wirklich einen Moment lang angenommen, der gefallene Engel wüsste nicht, wer – oder besser gesagt was – Damian war.
Von nun an war er also Damian Teufel, Gärtner. Was sein Vater wohl dazu sagte? Eigentlich hatte Damian damit gerechnet, ihn sofort nach seiner Ankunft in dieser Dimension in irgendeiner dunklen Ecke anzutreffen. Immerhin konnte Luzifer als Gott überall hinspazieren, wohin er auch wollte – bis auf den Himmel natürlich, obwohl auch dieser Ort rein theoretisch zugänglich wäre. Bei der praktischen Ausführung haperte es jedoch an einer ganzen Armee von Engeln, die den Gott der Gegenseite auf wenig engelsgleiche Art willkommen heißen würden. Wie es schien, bevorzugte Luzifer jedoch eine andere Methode, als seinen Sohn persönlich zu tyrannisieren und ihn auf diese Weise zur Rückkehr zu bewegen. Wieso sollte er sich auch selbst die Hände schmutzig machen, wenn es genügend andere gab, die das für ihn übernahmen? Ein weiterer Punkt, um den Damian sich noch kümmern musste, ehe er endlich richtig in dieser Welt ankommen konnte. Er musste sich von seinem Vater befreien, ihm irgendwie begreiflich machen, dass dies nun sein Weg war und dass er um nichts auf der Welt in die Hölle zurückkehren würde. Vorher würde er hier wohl niemals Frieden finden. Und solange er keinen Frieden hatte, würde Emily ihm noch weiter entgleiten.
Damian sah über die kniehohe Schneedecke hinüber zur Kirche, die jetzt am späten Vormittag friedlich und verlassen dastand. Ein schmaler Pfad war freigeschaufelt worden, um den Zugang zu erleichtern, doch die vielen gepflasterten Gehwege durch die Grünanlage waren zum Teil völlig zugeschneit. Es war ein prächtiges Gebäude mit einem Säulengang zur Westseite und einer hohen Kuppel unmittelbar neben dem Kirchturm. Damian schätzte die Kirche auf das frühe 18. Jahrhundert, zumindest war sie zu dieser Zeit wohl einmal renoviert worden. Er wusste, Kirchen besaßen tatsächlich eine gewisse Macht über Luzifer, denn der starke Glaube all der Menschen, die in diesen Gebäuden Tag für Tag an Gott dachten, zu Gott beteten und fern jeder Boshaftigkeit waren, blieb in diesen Gemäuern gefangen und wurde zu einer bedeutungsvollen Kraft. Ein Zentrum des Glaubens an das Gute, und auch wenn es nicht mehr war als das – reiner Glaube –, so konnte Luzifer doch nichts dagegen ausrichten.
Einen Augenblick zögerte Damian noch, dann bewegten sich seine Beine wie von selbst in Richtung Gotteshaus. Eigentlich hatte er für solche Dinge nie viel übriggehabt, doch er war neugierig und hatte außerdem nichts Besseres zu tun.
Weitere Kostenlose Bücher