Teufelstod: Band 2 (German Edition)
Schritten ging Damian zurück zu Wills Haus. Der Schnee konnte ihn kaum bremsen, dafür war er viel zu aufgedreht. Zu wissen, dass ihn am Ende dieses Pfads Wärme und Trost empfangen würden, ließ seinen menschlichen Körper die Schwäche überwinden. Er hätte nicht weglaufen dürfen. Michael hatte recht. Sich zu verkriechen war keine Lösung. Stattdessen hätte er sich Emily anvertrauen und ihr Gelegenheit geben sollen, sich ihre eigenen Probleme von der Seele zu reden. Wieso war er nicht selbst darauf gekommen? Seine Gefühle zu offenbaren und mit anderen zu teilen war ihm immer noch fremd. Er machte normalerweise alles mit sich selbst aus. Doch jetzt gab es jemanden in seinem Leben. Und wenn er Emily halten wollte, dann musste er endlich lernen, wie ein Mensch zu handeln. Menschen teilten ihre Emotionen, ihre Freuden und Ängste, sie kommunizierten, fanden Halt aneinander. Und so fremd Damian dieses Offenlegen der Seele auch war, so sehr sehnte er sich auf der anderen Seite auch danach. Er würde Emily in den Armen halten, würde ihr sagen, wie groß seine Angst um sie war, wie tief sein Entsetzen über die tote Frau und wie verzehrend sein Hass auf Luzifer. Er würde ihr von seiner Kraft geben und von ihrer nehmen. Er würde sich an ihr festhalten und ihr zugleich Sicherheit bieten. Sie waren zwei Teile eines Ganzen, und er konnte nur hoffen, dass die Vertrautheit der letzten Nacht durch sein Abhauen nicht verschwunden war. Und falls doch, würde er sie eben zurückerlangen. Er würde sie zurückerkämpfen. Emily gehörte zu ihm, das hatte er von jenem Moment an gewusst, da Jophiel sie ihm zum ersten Mal im Paldriun gezeigt hatte.
Das Haus war bis auf das beleuchtete Wohnzimmer dunkel und hob sich als dunkler Umriss vom Schnee und den dahinterliegenden Baumskeletten ab. Die Sonne war im Begriff unterzugehen und einen weiteren langen Winterabend einzuleiten, aber noch war die Welt in düsteres Zwielicht gehüllt. Damian eilte über den verschneiten Vorplatz zur offen stehenden Garage, um durch sie das Haus zu betreten, doch eine Bewegung hinter der Glasfront des Wohnzimmers ließ ihn innehalten. Er erfasste die Situation mit einem Blick und meinte vor Schwäche in die Knie gehen zu müssen. Stattdessen bewegten sich seine Beine jedoch weiter, gingen langsam näher. Er wusste, die beiden konnten ihn nicht sehen, denn das Licht im Inneren des Hauses reflektierte an der Scheibe und würde ihnen lediglich ihr Spiegelbild zeigen. Die Welt draußen war für sie in Finsternis gehüllt. Doch Damian sah alles. Er sah Emily auf Wills Schoß sitzen, er sah die Hand dieses blonden Heiligen über ihren Rücken streichen, und auch wenn Emilys Gesicht in seiner Jacke verborgen war, so erkannte er am Beben ihres Körpers, dass sie weinte.
Unfähig sich zu rühren stand er da und starrte die zwei an. Das ist mein Platz! , fuhr es ihm durch den Kopf. Er gehörte dorthin, zu Emily. Natürlich hatte sie Trost gesucht – sie war ein Mensch! Und er war nicht da gewesen. Nein, Will war bei ihr – wie immer –, und er hatte Damian verdrängt. Schock, Enttäuschung und Eifersucht vermischten sich zu einem Gefühl, das ihm nur allzu vertraut war: Zorn. Heiß brannte er in ihm, und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Hätte sie nicht auf ihn warten können? So lange war er schließlich gar nicht fort gewesen. Hätte sie nicht wenigstens versuchen können, ihn zu verstehen? Sein Weglaufen? Wieso musste sie sich sofort in die Arme eines anderen werfen? Er war doch zu ihr gekommen! Er war aus dem Tartaros zu ihr gekommen! War da etwas Geduld wirklich zu viel verlangt? Er war ja dabei, alles zu lernen, aber er konnte die Welt nicht an einem Tag verstehen. Ein Rascheln im Schnee ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Er fuhr herum – und seufzte erleichtert auf, als er eine vermummte Gestalt, die er als Annie identifizierte, die Straße heraufkommen sah und keinen Dämon, Höllenhund oder gar den Teufel höchstpersönlich. Mit dicken plüschigen Stiefeln und einer Plastikdose in der ebenso plüschigen Hand stapfte sie durch den Schnee. Den ewig knurrenden Schäferhund hielt sie an der Leine, und das Tier näherte sich ihm mit raubtierhafter Eleganz. Seine Augen fixierten ihn, und er hatte die Lefzen leicht zurückgezogen, sodass die Zähne in der Dunkelheit blitzten. Annie schien ihn hingegen kaum wahrzunehmen und blickte an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo Emily und Will sich immer noch in den Armen hielten.
»Es bräuchte schon
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