Teufelstod: Band 2 (German Edition)
Gefühl, seine Stimmungsschwankungen besser zu verstehen. Es war der Kampf von Himmel und Hölle in ihm: das Erbe seines Vaters und das seiner Mutter. Beide rissen an ihm, und manchmal gewann der eine, dann der andere Teil die Oberhand. In ihm war beides vertreten, und Emily wusste plötzlich, sie durfte nicht zulassen, dass der höllische Anteil in ihm siegte. Der Funke des Himmels durfte nicht erlöschen. Er gehörte zu ihm, und er war all das Gute in ihm. Darin hatte Emily sich verliebt. Wieso hatte sie das nicht schon vorher begriffen?
Damian war nicht schuld! Es ging nicht um ihn! Dieser giftige Gedanke, der sich immer wieder in ihr Herz geschlichen hatte, verpuffte, als hätte er nie existiert. Es ging nicht darum, dass alles ein Ende hätte, wenn er zurück in die Hölle ging. Hier ging es um den Kampf Gut gegen Böse. Himmel gegen Hölle. Und wenn Damian aufgab und zurückkehrte, hätte das Böse gewonnen. Luzifer hätte gewonnen, und was bedeutete das für diese Welt? Welchen Wert hatte das Leben noch, wenn das Böse einfach so die Oberhand gewinnen konnte?
»Will«, flüsterte sie erstaunt und von diesem neuen Begreifen vollkommen eingenommen. »Wir müssen Damian helfen. Wir müssen ihm helfen, gegen Luzifer zu bestehen. Egal, was kommt. Er darf nicht gewinnen. Denn dann ist alles verloren.«
Will sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Wir werden ihm helfen«, sagte er langsam. »Aber nicht um jeden Preis.«
»Es geht hier nicht um mich«, erwiderte sie ungeduldig. »Es geht um etwas so viel Größeres. Damian ist Teil des Himmels, des Guten, und das darf nicht verloren gehen. Wenn er den Kampf verliert, wenn der Funke in ihm erlischt, dann ist das der Beweis für die Macht des Bösen. Das darf nicht passieren. Wir müssen beweisen, dass Luzifer niemals über den Himmel obsiegen wird, verstehst du?«
»Ja, schon. Aber wie stellst du dir das vor? Wir sind machtlos.«
»Nein.« Emily ging auf ihn zu. »Das sind wir nicht. Nicht, solange wir zusammenhalten. Das ist es ja, was Luzifer bezwecken will. Er will, dass wir uns von Damian abwenden. Sieh dir an, wie wir schon gedacht haben. Wir dachten, alles wäre gut, wenn Damian aufgibt. Wir dachten, ohne ihn, könnten wir friedlich unsere Leben weiterleben. Aber welchen Wert hätte es dann noch? Nein, wir müssen kämpfen!«
Will sah sie lange an, dann ergriff er ihre Hand und zog sie zu sich an die Couch. »Bist du dir bewusst, was du da sagst?«, fragte er leise und hielt sie an beiden Armen fest. Jetzt, wo er auf der Lehne saß, waren sie beinahe auf Augenhöhe. »Du willst es wirklich durchziehen, nach allem, was geschehen ist?«
Emily nickte. »Er ist jetzt einer von uns. Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Er ist der Himmel.«
Will senkte den Blick. Dann zog er sie an sich, und Emily setzte sich auf seine angewinkelten Beine.
»In Ordnung«, sagte er. »Du hast recht. Wir werden ihm helfen. Aber bevor wir uns in diesen Kampf stürzen, musst du diesen Tag hinter dir lassen, Emily. Wir brauchen neue Kraft, um …« Er legte die Arme um sie, und Emily legte den Kopf an seine Schulter. »Bleib noch«, flüsterte er. »Nur einen Moment. Lass mich dich halten. Dann machen wir uns auf die Suche nach deinem Freund.«
Emily nickte und spürte, wie all der unterdrückte Schmerz wegen dieser toten Frau in ihr hochkam. Vor ihrer Mutter hatte sie nicht weinen wollen, denn sie hätte sich nur noch mehr um sie gesorgt. Vor Damian konnte sie ebenfalls keine Schwäche zeigen, denn er brauchte sie jetzt, damit er der Schwache sein konnte, damit er jemanden zum Anlehnen hatte. Doch hier bei Will konnte sie einen Moment lang Zuflucht finden. Sie konnte ihre Seele reinwaschen, um sie für den bevorstehenden Kampf zu stärken. Er gab ihr Geborgenheit, war ihr Zuhause. Und so saß sie auf seinem Schoß, ließ sich festhalten und weinte. Es waren keine Tränen der Verzweiflung, nein, die Gewissheit, was zu tun war, gab ihr Kraft. Vielmehr fühlten sich die Tränen wie ein Akt der Reinigung an. Sie musste die furchtbaren Erlebnisse, die Zweifel und die Furcht aus ihrem Herzen herauswaschen, bis nur noch die Liebe blieb. Denn nur durch Liebe konnten sie diesen Kampf gewinnen.
Glaubenssache
D ie Kirche war verlassen, und obwohl Damian beim Betreten erneut dieses flaue Gefühl des Unwillkommenseins erfasst hatte, saß er nun in der hintersten Bankreihe und starrte auf das von hereinfallenden Sonnenstrahlen beleuchtete Altarbild unter der Kuppel. In seiner Hand lag das
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