Teufelstod: Band 2 (German Edition)
drückte sie an seine Brust. Eine Hand strich durch ihr mittlerweile trockenes Haar, und Emily kam es vor, als atme sie den Duft der Gänseblümchenwiese ein. Natürlich war das Unsinn. Sie wusste das, denn er stank immer noch nach Zigaretten und Alkohol. Doch in dieser Umarmung fühlte sie sich so sicher wie in den lange zurückliegenden Träumen, in denen er sie beschützt hatte und mit ihr von den Klippen gesprungen war.
»Ms Norvell?«
Emily fuhr herum und wischte sich schnell die Tränen von den Wangen. Wie viele würde sie noch vergießen, ehe dieser Albtraum endlich aufhörte?
Vor ihr stand eine Krankenschwester und sah sie voller Mitleid an. Ob das Personal auf diesen Blick geschult wurde? Konnten diese Menschen nach den vielen Tragödien, die sie tagtäglich erlebten, überhaupt noch Mitleid für Angehörige empfinden?
»Ms Norvell«, sagte die Schwester. »Mr Gordon hat die Operation gut überstanden, er liegt jetzt auf der Intensivstation und …«
»Intensivstation?« Emily wunderte sich, wie müde ihre Stimme klang. Als wäre ihr alles gleichgültig. Doch das stimmte nicht.
»Mr Gordon wird noch mit Sauerstoff versorgt«, erklärte die Schwester. »Er hat eine leichte Rauchvergiftung, aber morgen müsste es ihm schon besser gehen.«
»Darf ich zu ihm?«
Die Schwester zögerte kurz, dann nickte sie. »Aber nur kurz«, sagte sie und nahm Emily mit. Damian wollte inzwischen ihrer Mutter Bescheid geben. Die Morningstars waren vermutlich mit Annie nach Hause gefahren. Zum Glück, denn Emily hätte nicht mit Annie um diesen Besuch streiten wollen. Ja, Annie war seine Freundin, doch Emily musste ihn jetzt sehen. Außerdem war sie sich sicher, dass Will jetzt Emily an seiner Seite haben wollte – nicht Annie. Schließlich hatte er Emily angerufen.
Emily bekam einen hässlichen Kittel, musste die Hände desinfizieren und wurde in Wills Zimmer geführt. Ihr blieb fast das Herz stehen. Das Piepsen der Geräte fuhr wie gierige kleine Käfer unter ihre Haut, genauso wie das röchelnde Geräusch der Beatmungsschläuche.
Will sah aus, als wäre er bereits gestorben. Seine Haut hob sich kaum von den weißen Laken ab, seine Augen waren dunkel umrandet. Ein eingegipstes Bein war nach oben geschnallt, und Emily dachte an den flinken Basketballspieler, der ständig in Bewegung sein musste. Die Decke war bis zum Kinn hochgezogen, daher konnte sie keine Verbrennungen erkennen. Sein Gesicht war unversehrt.
Reglos stand sie neben ihm und starrte auf ihn hinab. Sein Atem ging ruhig, er wirkte friedlich. Wie ein Engel.
Emily presste ihren Handrücken gegen den Mund und biss hinein. Nein. Das stimmte alles nicht. Luzifer musste dafür verantwortlich sein. Er musste einfach. Er war doch der Böse.
Der Schmerz in ihrer Hand konnte jenen in ihrer Brust nicht vertreiben. Bitte , flehte sie stumm und kämpfte gegen die erneut aufsteigenden Tränen, nimm ihn mir nicht weg! Du kannst nicht Damian zu mir senden, nur um mir dann Will zu nehmen. Er wird hier gebraucht. Er ist mein Engel. Ich weiß, wir sind nur Menschen … aber bitte … bitte tu das nicht!
Emily lauschte, sah sich um. Nichts.
»Das lassen wir nicht zu«, flüsterte sie an Will gewandt, obwohl er sie nicht hören konnte. »Wir regeln das. Wir finden eine Lösung. Du wirst sehen.« Ihre Stimme kratzte im Hals und war kaum zu hören. »Alles wird gut.« Sie blickte nach oben. Alles wird gut , wiederholte sie in Gedanken und streckte langsam die Hand nach Will aus. Mit klammen Fingern zog sie das Laken zurück und knöpfte sein Hemd auf. Auch hier waren keine Verbrennungen zu sehen. Sie beugte sich über ihn und krallte die Hände in das Laken. An seiner Brust war genau über seinem Herzen ein blasses Kreuz zu erkennen. Ein Kreuz, wie man es zum Ausfüllen eines Fragebogens benutzte.
Er war markiert.
»Oh Will«, schluchzte sie und schob das Laken zurück. »Wieso musst du nur so gut sein? Zu gut für diese Welt?«
Die Schwester kam herein, und Emily musste ihn schweren Herzens zurücklassen. Jeden Moment könnte er von einer übernatürlichen Macht aus dem Leben gerissen werden, und sie konnte nichts tun, um das zu verhindern.
Gemeinsam mit ihrer Mutter und Damian fuhr sie nach Hause. Mittlerweile war es zwei Uhr morgens, und die Müdigkeit ließ sich nicht mehr unterdrücken. Wills Haus war zerstört, auch wenn sie nicht wussten, wie sehr. Und Damian hatte keine Bleibe mehr. Natürlich bestand Emilys Mutter darauf, dass Damian in ihrem Haus
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