Teufelstod: Band 2 (German Edition)
chemischen Substanzen mit sich. Ihr wurde übel.
»Willst du umkehren?«, fragte Damian, aber Emily schüttelte entschieden den Kopf.
»Ich muss es sehen«, sagte sie, sich dessen jetzt erst richtig bewusst. Hier war ihr zweites Zuhause gewesen, und sie musste einfach überprüfen, ob irgendetwas heil geblieben war. Irgendeine Erinnerung an bessere Zeiten.
Die Haustür stand offen, und Emily trat ein. Über ihr gähnte traurige Leere. Genauso wie draußen blickte sie direkt in den Himmel, vereinzelte Schneeflöckchen landeten auf ihrer Nasenspitze. Es war nichts geblieben. Ihr Blick wanderte durch das einstige Wohnzimmer. Was das Feuer nicht zerstört hatte, war dem Wasser zum Opfer gefallen. Die Couch stand noch da, halb begraben unter Schutt und Asche im Schlamm des Löschschaums und den verbrannten Einzelteilen.
Es war ihr nicht möglich, wegzusehen. Bilder der Vergangenheit blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Sie selbst, Will und Mandy beim Fernsehen; sie sahen Disney-Filme und hielten ihre Kuscheltiere im Arm. Dann Mandy und Emily mit Tränen in den Augen beim Anschauen eines Liebesfilms. Als Nächstes sie alle drei bei irgendeinem Gesellschaftsspiel, auf dem Boden rund um den Couchtisch sitzend. Im nächsten Bild war Mandy nicht mehr dabei. Emily sah sich selbst in Wills Armen, während sie Horrorfilme ansahen. Das letzte Bild zeigte Emily mit Damian zusammengekuschelt auf der Couch. Dieses Möbelstück, dieses Haus, war Zeuge so vieler wichtiger Momente in ihrem Leben gewesen. Und jetzt war alles zerstört. Emily fühlte sich, als müsste sie von einem geliebten Menschen Abschied nehmen.
Damian kletterte über Trümmer, hob einzelne Stücke auf, sah sich um. Doch Emily konnte sich immer noch nicht rühren. Sie wusste nicht, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen. Es tat zu weh. Doch andererseits hatte sie es sehen müssen. Mit eigenen Augen. Das alles geschah wirklich. Es war kein Albtraum. Sie mussten hier durch und alles überstehen. Es musste weitergehen.
Emily setzte sich in Bewegung. Genauso wie Damian suchte sie nach irgendetwas, das dem Feuer oder Löschwasser entkommen war. Irgendetwas, das sie mitnehmen könnte. Eine Erinnerung. Etwas, das vielleicht auch Will trösten würde. Schließlich hatte er sein Zuhause verloren. Wo sollte er jetzt hin? Bestimmt würde sein Onkel ihm eine neue Bleibe verschaffen, doch das war nicht dasselbe. Nichts würde je wieder so sein wie zuvor.
Ob Will überhaupt eine neue Unterkunft brauchte? Er war markiert, er trug das Mal an seiner Brust. Emily schüttelte den Kopf und verdrängte diesen Gedanken. Nein, Will würde nicht sterben. Sie wusste es. So grausam konnte Gott nicht sein. Schließlich war er doch Gott!
»Emily?«
Sie drehte sich um und sah Damian dort, wo einst die Küche gewesen war. Dieser Raum war noch am besten erhalten. Die marmornen Arbeitsplatten waren beinahe unversehrt, ebenso die Kacheln an den Wänden darüber. Damian hielt eine leuchtend gelbe Tasse mit rosa Herzen in der Hand. »Beste Freunde für immer«, stand darauf. Es hatte drei von diesen Tassen gegeben. Will, Mandy und Emily hatten sie vor ein paar Jahren mit ihrem Taschengeld im Souvenirladen am See gekauft. Es war ein Sommertag gewesen, und Emily hatte bei den Zwillingen übernachtet. Am selben Tag hatte jeder von ihnen eine Strähne seines Haares verbrannt und ihre Spucke vermischt, um den Schwur der ewigen Freundschaft zu besiegeln. Diese Tasse hier war Mandys gewesen. Wills war blau gewesen mit kleinen grünen Bären darauf und Emilys rot mit weißen Blumen. Sie hatte ihre Tasse immer hiergelassen, damit sie sich in Emilys Küchenschrank zu Hause nicht einsam fühlte und bei ihren Freunden sein konnte. Emily wankte über das Geröll in die Küche und nahm Damian die Tasse aus der Hand. Sie musste schlucken. Behutsam wischte sie mit einem Finger den Ruß von der Schrift. »Hast du noch andere gefunden?«, fragte sie geistesabwesend und ohne aufzublicken.
Damian sprach leise, als wollte er ihre Gedanken und Gefühle nicht stören. »Nur Scherben.«
Emily nickte. Sie hatte diese Antwort erwartet, und es kümmerte sie auch nicht. Immerhin hatte eine überlebt – ausgerechnet Mandys. Damit war es, als wäre ihre Freundin immer noch hier, als liefe sie jeden Moment in die Küche, um Saft aus der Herzchentasse zu trinken.
»Ich werde sie Will bringen«, beschloss sie und verstaute die Tasse sicher zwischen Schal und Handschuhen in ihrer Tasche. Dann sah sie
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