Teufelstod: Band 2 (German Edition)
bezeichnet, mit einem Drang, ständig im Mittelpunkt zu stehen, doch jetzt kamen ihr diese Eigenschaften nur recht. Marita schien tatsächlich überzeugt von dem, was sie da auf die Beine stellte.
»Zwischen Himmel und Hölle!«, rief sie aus, und allmählich verstummte das Gemurmel auf der Tribüne. »Das ist mehr als nur ein Theaterstück. Es ist das Leben! Das wahre Leben eines jeden Einzelnen von uns!«
Oh, oh! Emily spürte, wie etwas in ihr sank, vermutlich ihr Herz. Sie spürte es klar und deutlich in ihrer Brust. Jeder Schlag pochte stärker als der vorherige. Was tat Marita da?
»Was hat sie vor?«, fragte auch Annie neben ihr, aber Emily konnte sich ihr nicht zuwenden. Fassungslos starrte sie die Kämpferin der Menschen an.
»Sie fordert Gott heraus«, meinte sie schließlich und hatte das Gefühl, der Hölle schon jetzt ein gutes Stück näher zu sein. Einen Schritt nach dem anderen, sagte sie zu sich selbst. Zuerst mussten sie Will retten und sich mit Gott auseinandersetzen. Dann kamen Luzifer und die Hölle an die Reihe.
»Himmel und Hölle«, rief Marita über die Stimmen der Versammelten, »existieren hier auf der Erde. Es gibt gute Menschen, böse Menschen, gute Taten, böse Taten. In jedem von uns steckt ein Stück Himmel – und ein Stück Hölle.« Ihr Blick glitt über Emily hinweg, als wäre sie nur eine der vielen hier, als teilten sie nicht das größte Geheimnis der Welt.
»Es gibt Teufel unter uns!«, fuhr sie fort, ein heiteres Funkeln in den Augen, »Diener des Bösen! Wie etwa Mrs Seravin hier.« Sie wies mit einer eleganten Handbewegung zu der Englischlehrerin in der dritten Reihe und nickte ihr kurz zu.
Die Schüler brachen in Gelächter aus, auch einige Lehrer schmunzelten. Die Englischlehrerin schien sich einen Moment lang zu verkrampfen, ertrug diese verbale Attacke dann jedoch mit einem duldsamen Lächeln. Wer hätte Maritas Augenzwinkern und diesem unschuldigen Blick denn auch widerstehen können? Sie bezirzte tatsächlich jeden. Unglaublich!
»Aber es gibt auch Engel unter uns!« Marita wollte sich die Aufmerksamkeit wieder zurückholen, und sofort verstummte das Gelächter. »Wir alle sind den Engeln dieser Welt schon einmal begegnet. Unseren Müttern, Vätern, Geschwistern. Ja, auch sie können manchmal zu Teufeln werden. Aber wir haben auch einen Engel unter uns, der heute nicht hier sein kann. Ihr wisst von wem ich spreche! Wer könnte ein besserer Engel sein als Will Gordon?!«
Ein paar kameradschaftliche Rufe aus dem Basketballteam erschollen, gefolgt von Füßestampfen und Klatschen in immer schnellerem Takt. »Will, Will, Will!«, tönte es durch die Turmhalle, und Emily bekam Gänsehaut. Zum Glück war ihr bester Freund nicht hier. Dieser Auftritt wäre ihm unglaublich peinlich.
Was auch immer Marita vorhatte, so langsam hatte Emily das Gefühl, es könnte funktionieren. Der Himmel war dort, wo man ihn brauchte, wo man ihn haben wollte. Hatte sie das nicht erst neulich mit Damian herausgefunden? Und wenn der Himmel hier war, in dieser Turmhalle, in dieser Schule, dann konnte es auch Engel geben. Schutzengel! Wenn Will in dieser Welt, in dieser Dimension, in diesem Himmel auf Erden bereits ein Schutzengel war, dann konnte er nicht mehr zu einem auserwählt werden. Marita schien zu derselben Erkenntnis gelangt zu sein, was für Emily verwirrender war als alles andere. Marita, die unsensible, oberflächliche und total selbstbezogene Tussi hatte in einer einzigen Nacht herausgefunden, wofür Emily Tage, Wochen, Monate gebraucht hatte. So lange hatte Emily an Damian und ihrer Liebe gezweifelt – anders als Marita. Für sie hatten diese Dinge nie infrage gestanden. Sie hatte nie auch nur eine Sekunde erwogen, Damian zu opfern. Gütiger Gott! War Marita am Ende ein besserer Mensch als sie selbst? Was sagte das über sie aus?
Weitere beunruhigende Gedanken blieben ihr zum Glück erspart, denn Marita erklärte ihnen nun endlich das gesamte Ausmaß ihres Projektes. Es sollte nicht nur ein Theaterstück werden. Es sollte Teil ihres Lebens, ihres Schulalltags sein und einen längeren Zeitraum andauern. Im Frühling sollte das Projekt mit dem Theaterstück beendet und gekrönt werden. Marita hatte genaue Vorstellungen. Die Schule sollte in zwei Bereiche aufgeteilt werden, in Himmel und Hölle, mit entsprechender Dekoration. Jeder erhielt eine Rolle für das Theaterstück. Doch niemand bekam ein Skript mit Texten und Handlungsabläufen. Nein, sie mussten das Theaterstück
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