Teufelstod: Band 2 (German Edition)
steckte sich eine widerspenstige Strähne zurück hinters Ohr. »Macht nichts. Wir regeln das. Hast du mit Annie geredet?«
Diesmal reagierte sie mit einem verächtlichen Schnauben, und Marita verdrehte die Augen. »Lasst diese Zickereien, dafür haben wir keine Zeit. Du willst das Beste für Will, Annie will das Beste für ihn, und ich will auch das Beste für ihn. Kapiert? Will gehört in diese Stadt. Er gehört dazu. Wir wollen alle dasselbe, also reißt euch verdammt noch mal am Riemen!«
Emily blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. Marita erschien ihr plötzlich fremd – und gleichzeitig auch seltsam vertraut. Längst vergessene Erinnerungen spielten sich vor ihrem geistigen Auge ab. Emily sah ein kleines Mädchen in der Grundschule mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Ja, auch damals war Marita schon gerne über die Brillenschlangen, Zahnspangenträger und jene mit den uncoolen Outfits hergezogen. Doch wenn irgendjemand von außerhalb so etwas gewagt hatte, war sie zur Furie geworden. In ihrer verdrehten Welt war sie die Königin – mit dem alleinigen Recht über ihre Untertanen zu bestimmen. Und so merkwürdig das auch klang: Sie beschützte ihre Untertanen.
»Würdest du dasselbe auch für mich tun?«, hörte sie sich fragen, ehe sie sich daran hindern konnte.
Marita runzelte amüsiert die Stirn, zögerte jedoch keine Sekunde mit der Antwort: »Natürlich! Dass ich deinen Stil infrage stelle und dich nicht unbedingt leiden kann, heißt nicht, dass du verdienst, von Höllenhunden verfolgt zu werden oder als Spielfigur in göttliche Machenschaften hineingezogen zu werden.« Sie hob den Kopf, und in diesem Moment sah sie tatsächlich aus wie eine Königin. »Wenn wir eine Chance haben wollen, müssen wir zusammenhalten. Die ganze Schule, die ganze Stadt muss an einem Strang ziehen. Niemand fordert mich heraus. Auch dieser blonde Engel wird das noch lernen. Soll er zu seinem Boss laufen und ihm alles erzählen – wenn der es nicht ohnehin selbst sieht –, es ist mir gleich. Nein! Es ist sogar gut so. Er soll wissen, dass wir Will nicht hergeben werden. Und mit Luzifer werden wir auch noch fertig.«
Emily starrte die Schultussi an. Sie brauchte eine Weile, um diese Wortlawine von sich abgleiten zu lassen. »Okay«, antwortete sie schließlich. Sie hatte gedacht, einen Freund aus der Hölle zu haben, wäre merkwürdig. Maritas Verhalten sprengte jedoch alles je Dagewesene. Emily fühlte sich in die Grundschulzeit zurückversetzt, als sie und Marita noch so etwas wie Freundinnen gewesen waren. »Was hast du vor? Irgendeinen Plan?«
»Das Theaterstück.«
Emily verzog das Gesicht. »Was hat unser Problem mit deinem blöden Theaterprojekt zu tun?«
»Mein blödes Theaterprojekt wird Will retten. Ich habe die ganze Nacht daran gesessen. Komm heute nach der Schule in die Turnhalle. Auch du bekommst eine Rolle.«
»Eine Rolle?!«
Ein ungeduldiger Aufschrei. »Ja, eine Rolle! In meinem Theaterstück. Und weißt du, wie es heißen wird?«
Emily schwante etwas. »Wie?«, fragte sie, obwohl sie sich ziemlich sicher war, den Titel bereits zu kennen.
»Zwischen Himmel und Hölle.«
***
Die Turnhalle war gerammelt voll. Marita hatte offenbar der gesamten Oberstufe sowie sämtlichen Lehrern Nachsitzen verordnet. Die einstigen Cheerleader liefen die unteren Reihen der Tribüne entlang und verteilten Manuskripte an die dort sitzenden Teilnehmer. Emily erkannte schon beim Betreten der Halle, dass ein Großteil nur wenig Begeisterung für dieses Projekt aufbringen konnte. Womit hatte Marita sie wohl bestochen oder erpresst? Emily wusste, Marita hatte ihre Methoden: ein unwiderstehlicher Augenaufschlag und Wimperngeklimpere für die Jungs, Versprechungen oder Drohungen für die Mädchen.
Gespannt, was sich die Schulbarbie diesmal hatte einfallen lassen, ließ Emily sich auf der untersten Stufe der Tribüne nieder und bekam augenblicklich ein Manuskript in die Hand gedrückt; ein dünnes Heftchen mit einer Auflistung von Charakteren darin.
»Was denkst du?«, hörte sie plötzlich Annie neben sich. Emily blickte hoch und versuchte den Groll hinunterzuschlucken, als der Rotschopf sich neben ihr fallen ließ. »Was hat sie vor?«
Emily zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, aber wir werden es sicher bald erfahren.«
Damit hatte sie recht. Marita erhob sich und setzte zu einer Rede an. Es war schon fantastisch, welche Ausstrahlung sie bereits in ihrem Alter besaß. Früher hatte Emily sie als arrogant
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