Teufelswasser
fuhren diesmal nicht mit dem Pkw, sondern mit dem Stadtbus der Linie 10. Der Wagen Gabrielas war nicht angesprungen, weshalb sie den Zug genommen hatte. Ihr vager Verdacht, es könne sich um einen zweiten Anschlag handeln, hatte sich Gott sei Dank in der Reparaturwerkstatt als grundlos herausgestellt.
Laubmann war unabhängig von Gabriela Schauberg zusammen mit Lürmann in dessen Dienstwagen nach Bamberg gefahren. Der Kriminalkommissar hatte in der Polizeidirektion zu tun, begleitete die beiden also nicht bei ihrem als privat ausgewiesenen Besuch.
Für den Fahrer des Stadtbusses war es augenscheinlich nicht so ganz einfach, durch die engen Straßen Bambergs zu manövrieren, nämlich hinauf zum ehemaligen Benediktinerkloster am Michelsberg, in dem ein Teil der Theo logischen Fakultät untergebracht werden sollte. Wegen der engen Tordurchfahrt der Klosteranlage konnten auf dieser Strecke nur Busse eingesetzt werden, die schmaler und kürzer konstruiert waren. Gottlob hatte der Stadtrat schon vor Jahren und ganz im Sinne Laubmanns beschlossen, das Kloster und die markante Klosterkirche, eine kunsthistorische Kostbarkeit, für Bürger und Besucher offenzuhalten.
Sobald die Haltestelle im Klosterhof bedient war, drehte der Bus eine ausgedehnte Runde um den barocken Merkurbrunnen und passierte beim Hinausfahren das Tor ein zweites Mal. Über den Sankt-Getreu-Hügel führte die Strecke, bergauf und bergab, weiter zum Stadtteil «Wildensorg», einem ursprünglichen Winzerdorf am Waldrand.
Auf halbem Weg etwa zwischen Stadt und Dorf konnte man unterhalb des Michelsberger Waldes an einem Pavillon aussteigen und einen der gefälligsten Ausblicke über Bamberg genießen. Gabriela Schauberg und Philipp Laubmann verließen den Bus zwar an dieser Haltestelle, doch ihnen war nicht nach optischen Genüssen zumute. Gabriela wunderte sich ohnehin, dass Philipps hintergründige Scherze heute recht spärlich ausfielen. Sie ahnte nicht, dass er durch Lürmanns Einfluss etwas skeptischer geworden war. Vielmehr dachte sie, es liege an seinem Liebeskummer und seinem schlechten Gewissen gegenüber Elisabeth.
Dennoch war Gabriela Schauberg froh, dass er ihrem Wunsch nachgekommen war, den Freund von Margarete und Reinhold Müller aufzusuchen. Während der Fahrt hatte Laubmann ihr allerdings eröffnet – auch aus Gewissensgründen, hauptsächlich jedoch wegen des bevorstehenden Treffens –, dass die beiden gar keine Zwillinge gewesen waren, was sie ziemlich schockiert hatte.
Name und Adresse des Freundes hatte Gabriela bereits vor Tagen herausgefunden: Otto Trautmann, Rothof 1-2. Die Eltern Trautmanns hatten eine mittelständische Maschinenbaufabrik in Bamberg besessen, er aber hatte Koch gelernt. Er war 65, also im gleichen Alter wie der ermordete Reinhold Müller, hatte einen rundlichen Körperbau und entsprechende Gesichtszüge, dazu eine Knollennase und graues schütteres Haar mit Geheimratsecken.
Otto Trautmann hatte vor Jahrzehnten den Rothof auf einer Anhöhe am Rande des Michelsberger Waldes gekauft. Es handelte sich um einen altehrwürdigen Gutshof vom Anfang des 18. Jahrhunderts. An das Herrenhaus, einen zweigeschossigen Bau mit Walmdach, schlossen sich Wirtschaftsgebäude und vormalige Stallungen an, sodass der Gutshof, einschließlich der Hofeinfahrt, ein Geviert bildete.
In den 1970er-Jahren hatte Trautmann hier eine Pension eingerichtet und die Stallungen zu Gästezimmern umgebaut. Er selbst war kurz danach im ersten Stock des Herrenhauses eingezogen und hatte darunter ein Tagescafé eröffnet, das in Bamberg als beliebtes Ausflugslokal galt. Bei gutem Wetter konnte man draußen unter einer mächtigen Linde sitzen und sich an der Fernsicht ergötzen.
Philipp Laubmann hatte vor ihrem Besuch angerufen und Otto Trautmann mitgeteilt, dass Frau Schauberg und er mit ihm über Margarete und Reinhold Müller sprechen wollten. Über die Morde an seinen Freunden hatte Trautmann schon allerlei Gerüchte gehört, die besonders in der Pfarrei Alt-Sankt-Anna kursierten. Zudem hatte die hiesige Regionalzeitung über den Mord im Park berichtet. Daraufhin hatte er im Säkularinstitut persönlich nachgefragt.
Von der Bushaltestelle aus stiegen Philipp Laubmann und Gabriela Schauberg über einen steilen Trampelpfad hinauf zu einer bescheidenen Kirschbaumallee, die bis zum Rothof reichte. Es war recht windig und trotzdem war es Philipp zu warm. Er zog seine Wolljacke aus. Gabriela behielt abermals ihren dunkelblauen Mantel an. Der Hof lag
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