Teufelswasser
parat.
«Oberkommissarin Vogt frägt darüber hinaus an, ob uns einer ihrer Hauptzeugen bekannt sei. Nun raten Sie mal, wer das sein könnte. Sie werden nicht draufkommen.»
Kommissar Glaser brauchte erst gar nicht zu raten. «Er schon wieder? … Das kann nicht Ihr Ernst sein!»
«Es handelt sich um unseren moralisierenden ‹Kollegen› Dr. Philipp Erasmus Laubmann.»
«Uns bleibt auch nichts erspart.»
Glaser war weniger gut auf den Moraltheologen zu sprechen als Lürmann. Jedes Mal war dieser Laubmann so ganz absichtslos in Mordfälle verwickelt, die sich im kirchlichen Milieu ereigneten. Und jedes Mal hatte Glaser den vorwitzigen Laubmann quasi wie einen Sachverständigen für kirchliche und theologische Angelegenheiten akzeptieren müssen, weil ihm und Lürmann die religiösen Interna nicht hinreichend vertraut waren. Das störte ihn. Obgleich, manchmal hatte Laubmann doch einen nicht unbedeutenden, minimalen Hinweis zur Aufklärung der Fälle beigesteuert. Aber wirklich nur manchmal und nur minimal.
«Für die Kollegin Vogt scheint unser Dr. Laubmann nicht unverdächtig zu sein.» Lürmann grinste diebisch.
«Mir drängt sich hin und wieder der Verdacht auf», sagte Glaser unwirsch, «dass Dr. Laubmann solche kirchennahen Morde inszenieren lässt, nur um als theologischer Detektiv brillieren zu können, weil es universitär nicht so gut für ihn läuft.»
X
EBENFALLS AM SAMSTAGVORMITTAG – sogar schon früher als die Kommissare im Büro – trafen sich Gabriela Schauberg und Philipp Laubmann bei einer historisch anmutenden Postkutsche. Sie hatten vor, von Bad Kissingen aus gemeinsam eine touristisch angebotene Kutschfahrt ins wenige Kilometer nördlich gelegene Bad Bocklet zu unternehmen. Sie wollten miteinander über das Vorgefallene reden, ja sie hatten das Gefühl, sich kennenlernen zu müssen, um die Hintergründe der Todesfälle besser beurteilen zu können.
Gabriela Schauberg war der Theologe bei der ersten Begegnung wirklich unsympathisch erschienen. Erst als sie danach ins Gespräch gekommen waren, hatte sich das geändert, denn sie hatte gespürt, wie durcheinander er war. Und Laubmann war es noch immer nicht so recht bewusst, wie angespannt er gestern nach dem Mord gewesen war. Er reagierte darauf weit weniger gelassen, als er es sich eingebildet hatte.
Die Kutsche hatte einen schwarzen Boden und ein schwarzes Dach; ansonsten war sie gelb angestrichen. Die ebenfalls gelben Holzspeichenräder waren mit Eisenreifen beschlagen. Die Insassen freilich wurden einigermaßen behutsam transportiert, da eine Federung die gröberen Stöße abfing. Außerdem war der Untergrund des geschichtsträchtigen Postwegs, den die Kutsche befuhr, eingeebnet und gut befestigt.
Alles war möglichst originalgetreu und stilvoll gehalten. Die beiden Kutscher hatten rot-weiße Uniformen an, zu denen schwarze Zylinder mit Federbüschen gehörten; die vier vorgespannten Schimmel trugen außerordentlich gepflegtes Zaumzeug, «ein ‹Geschirr› also», wie Philipp überaus belustigend meinte, «das im Gegensatz zu Tassen und Tellern beim Runterfallen nicht zerbricht». Die Innenausstattung der Kutsche wies eine luxuriöse Vertäfelung auf, und die Reisenden saßen auf bequemen Lederpolstern mit Knopfbesatz.
Die Pferde setzten sich auf den Zuruf eines der Kutscher hin in Bewegung. Gabriela Schauberg und Philipp Laubmann genossen es, dass sie bei dieser ersten Kutschfahrt des Tages die einzigen Gäste waren. So konnten sie sich uneingeschränkt ihrem Gespräch widmen.
Die umgebende Landschaft störte das altertümliche Bild keineswegs, das der sprichwörtlichen Postkutschenzeit entnommen schien. Der Weg führte nämlich entlang der Fränkischen Saale durch Wiesengründe, beidseitig von sanft ansteigenden Wäldern begrenzt. Der Fluss bewegte sich zu großen Teilen gewunden zwischen Bäumen und Gebüsch. Selten war eine Scheune, ein Wohnhaus oder ein Dorf zu sehen.
«Kennen Sie die Saaleflüsse?», fragte Philipp in der ihm eigenen «Unaufdringlichkeit».
Als Gabriela Schauberg verneinte, erklärte er, dass die Fränkische Saale in zwei Quellen an der Grenze zu Thüringen entspringe und bei der unterfränkischen Stadt Gemünden in den Main fließe. Die Sächsische Saale hingegen habe ihre Quelle im Fichtelgebirge, überschreite aber bald die Grenze nach Thüringen und münde schließlich in die Elbe.
Laubmann beschäftigte sich nur zu gern mit allem Fränkischen, sei es in Büchern, Filmen oder bei
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