Teufelswasser
hab keinen gesehen.»
«Und in der Nacht, der Mordnacht?» , betonte Laubmann.
Kornfeld strich sich über die verschwitzten grauen Haare. «Das wollte einer von den Kommissaren auch schon von mir wissen. – Ich war in meiner Wohnung.»
Philipp Laubmann ließ nicht nach – in seiner gerechtfertigten Befragung, wie er fand. «Wann haben Sie von dem Mord am Zwillingsbruder der getöteten Margarete Müller erfahren?»
«Gestern, vor der Sonntagsmesse im Schloss. Wenn Sie sich erinnern, die Frauen haben für beide Opfer gebetet.» Laubmann nickte. «Unter anderem einen sehr schönen Psalm, obwohl einem der Sinn nicht gleich aufgeht», meinte Kornfeld. «Ich hab ihn nachgelesen. Psalm 124.» Er zitierte etwas stockend: « Unsere Seele ist wie ein Vogel oder so … und ist dem Netz des Jägers entkommen. Und das Netz ist dann zerrissen, und wir sind frei .»
Dr. Laubmann imponierte das Stegreif-Zitat des Gärtners. «Haben Sie ihn gut gekannt, den Mesner, Reinhold Müller?»
«Wie einen Kollegen. So was in der Art waren wir ja. War ein außerordentlich netter, umgänglicher Mensch.»
«So hab ich ihn auch wahrgenommen», offenbarte Laubmann.
Heinrich Kornfeld wurde noch einmal ganz vertraulich. «Was ich Ihnen vorhin so erzählt habe, glauben Sie, das geht die Polizei was an?»
«Doch, das glaub ich schon. – Aber ich verfüge über ausgezeichnete Kontakte. Da kann ich Ihnen helfen, falls es nötig ist.»
«Und die Frauen im Schloss … müssen die was davon erfahren?» Den Gärtner trieb offenbar mehr die Furcht um, seine Stellung zu verlieren, als sein schlechtes Gewissen.
«Also von meiner Seite aus nicht», beruhigte ihn Laubmann.
«Da wär ich Ihnen sehr verbunden.» Kornfeld wirkte erleichtert. «Sie können, wie gesagt, auch von den Getränken was abhaben; Bier, Cola, Limonade, alles vorhanden.»
Philipp lehnte ab. «Das wär zu viel des Guten.» Allerdings ließ er sich von Gärtner Kornfeld ein Exemplar der Festschrift aushändigen, eins von denen aus der Scheune. A5, 52 Seiten, größtenteils schwarzweiß. Die Restexemplare waren in Spinnweben gehüllt und staubig. Das Papier hatte sich gewellt, weil winters wie sommers Nässe durch die Ritzen der Wände drang.
XIV
AUF DEM WEG ZU SEINER WOHNUNG in Bambergs Altstadt benutzte Laubmann die allerverwinkeltsten Gassen und nahm sogar Umwege in Kauf; denn er wollte keinesfalls von seinem Chef, Professor Dr. Raimund Hanauer, gesehen werden, der in seinen Augen ein Universalgelehrter war, ein Polyhistor. Zur Not hätte Philipp seinen Parapluie aufgespannt und ihn sich schräg vors Gesicht gehalten, auch wenn der Regen fehlte. Offiziell war er ja zur Kur in Bad Kissingen, obwohl es Professor Hanauer lieber gewesen wäre, sein Assistent hätte die mit ihm vereinbarten drei Wochen der wissenschaftlichen Arbeit statt der Kur gewidmet.
Da Laubmann nun schon seit einer Woche abwesend war, wollte er zu Hause seine Post abholen. Gabriela Schauberg hatte ihn um neun Uhr in der Stadt abgesetzt und wollte ihn in zwei Stunden wieder treffen, um zur Mittagszeit in Kissingen zu sein. Die Briefkästen für die Bewohner waren im Eingangsbereich des jahrhundertealten Hauses angebracht, in dessen rückwärtigem Teil Philipp Laubmann seit langem eine Dachwohnung gemietet hatte. Kaum hatte er die lästigen Werbedrucksachen, ein paar Briefe und die neueste Ausgabe von Christ in der Gegenwart aus dem Briefkasten herausgenommen, als Johanna Laubmann, die Tochter seiner Cousine Irene, die enge Kopfsteinpflasterstraße entlangkam.
Sie sah ihn in der offenen Haustür stehen und begrüßte ihn begeistert. Die 15-jährige Johanna konnte ihren Onkel nämlich gut leiden, denn er nahm sie immer ernst. Doch weil Philipp schnell aus dem Einzugsbereich der Straße verschwinden wollte, schlug er Johanna vor, auf einen Tee mit hinauf in die Wohnung zu kommen.
Johanna Laubmann war hübsch, mittelgroß und hatte das Mädchenhafte schon fast abgelegt. Sie trug ihr schwarzes Haar lang und offen über die Schultern herabhängend. Den Wollsachen aus dem mütterlichen Geschäft war sie weniger zugetan. Ihr helles T-Shirt unter dem kurzen, auf Taille geschnittenen weißen Blazer stammte jedenfalls nicht von dort.
Sie folgte Laubmann durch einen Gang im vorderen Gebäude hin zum Hof und danach zum Hinterhaus, wo er die Tür zu einem verschachtelt wirkenden Treppenhaus öffnete, mit Auf- und Abstiegen, Absätzen und gedrechselten Geländern. Johanna hatte immer wieder Spaß daran, die Drehungen
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