Teufelswasser
mit den Personalien beschäftigt und sollte nachkommen. Vogt und Glaser begaben sich zusammen mit dem Monsignore durch die Sakristei in den ehemaligen Klostertrakt, einen herrschaftlichen, U-förmigen Gebäudekomplex, dessen Seitenflügel an das rechte Seitenschiff der Klosterkirche stießen. Ein kleiner Teil des jetzigen Ämtergebäudes diente als Pfarrhaus. Im Innenhof war der frühere Kreuzgang des Franziskanerklosters nur mehr in Ansätzen zu erkennen.
Sie durchschritten einen weitläufigen Gang, den linker Hand hoch aufragende Fenster und rechter Hand portalartige Türen säumten. Die Decke war mit üppigem, farbig übermaltem Stuck verziert; florale Ornamente. Das vorletzte Portal führte ins Pfarramt, wobei Siegbert Herold seinen Gästen das Sekretariat nebenan ersparte und sie direkt über einen vorgelagerten Zwischengang in sein saalartiges Büro eintreten ließ. Er begab sich mit ihnen zu einer neueren, wenn auch altmodischen Sitzgruppe, deren Bezug aus grauweiß gesprenkeltem, grobem Stoff gefertigt war. Von einem Erker aus blickte man auf den Kirchenvorplatz sowie auf den Eingangsbereich der Kirche. Glaser und Vogt legten ihre Regenmäntel ab.
Herolds Schreibtisch war freilich ein Barocktisch, der wahrscheinlich aus den Klosterbeständen stammte. Darunter hatte man links und rechts zwei moderne, fahrbare Schränkchen geschoben, um die nötigen Schreibwaren und Papiere unterzubringen. Oben auf dem Tisch stand eine Figur der heiligen Anna, sozusagen eine Miniaturausgabe der Skulptur am Hochaltar. Daneben lagen sauber nach Farben sortierte Stifte und handbeschriftete Ordner.
Die Wände des sicher mehr als 40 Quadratmeter umfassenden Saals, worin man sich recht verloren vorkam, waren angefüllt mit einem hohen Regal, das wertvolle sakrale Bücher bewahrte – wohl ebenfalls aus Klosterbesitz – sowie mit Gemälden von religiöser Thematik und nachgedunkelten oder verblichenen Porträts vormaliger Priester der Pfarrei. Vor einem silbernen Kruzifix auf einem Podest erhob sich eine mit feinem purpurnem Samt überzogene barocke Kniebank, welche der Pfarrer bestimmt zum Beten nutzte. Glaser hatte den Eindruck, dass Monsignore Herolds Büro selbst Prälat Glöckleins Büro in den Schatten zu stellen vermochte. Letzteres kannte er bereits von einer früheren Ermittlung her.
«Für Donnerstagabend habe ich eine Rosenkranzandacht angesetzt, in der wir für das Seelenheil unseres verstorbenen Mesners beten wollen», verkündete der Monsignore. Reinhold Müller sei in der Gemeinde sehr beliebt gewesen. Sie alle seien voller Trauer. «Deshalb wäre es mein Wunsch, den Trauergottesdienst und die Beerdigung zelebrieren zu dürfen.»
«So schnell wird die Leiche nicht freigegeben werden.» Oberkommissarin Vogt war weiter um Sachlichkeit bemüht.
Dietmar Glaser erging es ähnlich. «Wo hat Herr Müller denn gewohnt?»
«Genau wie meine Haushälterin und ich hier im Pfarrhaus», erklärte Siegbert Herold. «Er hatte die Dachwohnung inne.»
«Die Wohnung wird versiegelt; und der Erkennungsdienst wird sie später untersuchen.»
«Unsere Frau Holzmann putzt die Wohnung aber einmal pro Woche», sagte der Pfarrer, worauf Glaser entgegnete, dass dies vorerst unterbleiben müsse.
«Ist Herr Schaffer allein in der Lage, die Verantwortung für die Kirche zu tragen?», wollte die Kommissarin wissen.
«Wir sind grundsätzlich dankbar für jede helfende Hand.»
«Das beantwortet meine Frage nicht.» Der milde Ton in Herolds Stimme missfiel ihr.
Glaser hakte nach. «Könnten Sie sich vorstellen, dass Herr Schaffer den freien Mesner-Posten bekommt?»
Pfarrer Herold zögerte ein wenig. Reinhold Müller wäre Mitte des Jahres sowieso in Rente gegangen, hatte aber vor, danach noch einige Jahre ehrenamtlich weiterzuarbeiten, auch um seine Wohnung beibehalten zu können; ab dem Eintritt der Rente jedoch gegen einen adäquaten Mietzins. «Durch eine freiwillige Mitarbeit hätte er uns Geld gespart», seufzte Herold. «Herr Müller war nun mal unserer Pfarrei sehr verbunden.»
«Sie brauchen jetzt aber einen Nachfolger – und den Kandidaten dafür haben Sie ja.» Der Kommissar ließ nicht locker.
«Ich halte eine solche Überlegung für verfrüht. Herr Schaffer kann sich natürlich nach einer angemessenen Frist auf die Stelle bewerben.»
Die Oberkommissarin wunderte sich. «Das klingt so, als wären Sie von ihm nicht sehr überzeugt.»
Pfarrer Herold holte tief Luft. «Im Vertrauen: Herr Schaffer möchte die Stelle schon gerne
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