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Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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Bildtafeln zu, die aus dem Spätmittelalter stammten. Sie zeigten Szenen der Kreuzigung Christi und wurden von Fachleuten für ein Hauptwerk der fränkischen Malerei um 1430 gehalten. Der Chor der Kirche war der heiligen Anna geweiht. Eine spätgotische Schnitzfigur der Mutter Mariens war in einem Aufbau über den Bildtafeln angebracht. Die Figur war in späterer Zeit mit einer geschwungenen silbernen Einfassung versehen worden, weil das Silber als Sinnbild der Reinheit gilt und deshalb als Symbol für Maria und ihre Mutter Anna erachtet wird.
    Doch Touristen traf man in Alt-Sankt-Anna so gut wie nie an. Sie übersahen die Kirche einfach, da sie in keinem Reiseführer verzeichnet war.
    Vor dem Volksaltar erblickten die Kommissare hohe Vasen mit frischen Schnittblumen. Der getötete Mesner Reinhold Müller konnte diese Schnittblumen wohl nicht mehr besorgt haben. An einem der Seitenaltäre, dem Dreikönigsaltar , war eine aufwendig verzierte kleine Schrifttafel befestigt, auf der zu lesen war, dass dieser Altar einst durch eine Spende des am 24. Juli 1603 ermordeten Bartholomäus Übelein instand gesetzt worden sei.
    ‹Sieh an›, dachte Glaser, ‹womöglich noch ein ungelöster Mordfall.›
    Hinter dem Hauptaltar im Chor war zwischen der massiven hölzernen und unverzierten Rückwand des Altars und den gotischen Außenfenstern ein Umgang ausgespart, sodass man von den Seitenschiffen aus hinter dem Altarkomplex vorbeigehen konnte. Aus einem niedrigen Einlass mit einer unscheinbaren Holztür, die sich links in der Rückwand des Hochaltars befand und geöffnet war, drang der matte Lichtschimmer einer Glühbirne. Und seltsamerweise waren Geräusche aus dem Inneren des Hochaltars zu hören – die Geräusche eines elektrischen Aufzugs.
    «Wohin geht es hier?», erkundigte sich Oberkommissarin Vogt bestimmend, als sei sie die Vorgesetzte der Kommissare, die sich in Bamberg auszukennen und ihr Rede und Antwort zu stehen hätten. Glaser wusste es nicht und strich sich nervös über seinen Oberlippenbart. Er konnte auch bloß nachsehen.
    Als sie näher kamen, entdeckten sie einen zwei bis drei Meter breiten Hohlraum zwischen der Schau- und der Rückseite des Hochaltars. Der Raum glich einer trüben Abstellkammer. Es roch muffig nach Holz und Staub. Einfache Gerätschaften für die Instandhaltung eines Gotteshauses wurden dort aufbewahrt: Besen, Eimer, lange Stangen mit aufgesetzten Metallhäubchen zum Löschen höher aufgestellter Kerzen sowie mit Dochten darunter zum Anzünden derselben, ein Staubwedel, Lappen, zwei Schäufelchen für Pflanzenerde, Tücher oder ausgediente Weihwasserkessel und Kerzenständer. Nichts Geheimnisvolles also. Einige der Gegenstände hingen an Nägeln. Ein der Vorschrift entsprechender Feuerlöscher war in unmittelbarer Nähe zur Tür an der Holzwand montiert.
    Ein Mann in einer reichlich abgeschabten grauen Arbeitskluft, der an die 40 Jahre alt sein mochte, mittelgroß und Brillenträger war, fettige bräunliche und etwas zu lange Haare hatte, betätigte an einem Schaltkasten einen Aufzug, genauer, ein Gerüst aus Metallverstrebungen, in dem eine Plattform aus Bohlen mittels Stahlseilen auf und ab zu bewegen war. Eine Eisenleiter lehnte außen an den Verstrebungen.
    Er drehte sich um und wies die Eindringlinge, die der Enge der Kammer wegen hintereinander standen, zurecht: «Der Zutritt ist für Besucher verboten!»
    Kommissar Glaser, der als Erster den Raum betreten hatte, entnahm seinen Dienstausweis der Innentasche seines Regenmantels und stellte sich und sein Ermittlerteam mit knappen Worten vor. – «Und wer sind Sie?»
    Der Mann im Arbeitsanzug nannte seinen Namen: «Franz Schaffer.»
    «Was machen Sie hier?»
    «Ich bin der Mesner!», antwortete Schaffer und fühlte sich sofort angegriffen. «Was soll daran fraglich sein?»
    «Der Mesner ist tot», bemerkte Kommissarin Vogt lakonisch.
    «Dann eben der zweite Mesner, wenn Ihnen das besser gefällt.» Das klang widerspenstig. «Vorher hab ich nur ausgeholfen, aber jetzt muss ich das volle Programm erledigen.»
    «Welche Funktion hat dieser Aufzug?» Lürmann meldete sich von ganz hinten zu Wort, ehe die Kommissarin reagieren konnte.
    In nicht sehr gewählt klingenden Worten erklärte Franz Schaffer, dass am 1. Mai, dem ersten Tag des Marienmonats, eine Prozession stattfinde. Da werde die Statue der heiligen Anna, der Mutter Mariens, vorneweg getragen. Die abendliche Prozession führe über den Schrannenplatz und die Mühlbrücken, also

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