Teufelswasser
Prälaten.
Zum Zeitvertreib und um sich wieder an das Leben «in Europa» zu gewöhnen, war sie am Ende des Thermalbadbesuchs auf den Vorschlag Glöckleins eingegangen, einen Ausflug zu unternehmen und die Stätten des Kreuzritters Otto von Botenlauben aufzusuchen. Daher hatten sie zuerst die Burgruine Botenlauben besucht und waren dann mit Glöckleins Auto weiter nach Frauenroth gefahren. Sie hatten sich währenddessen über einen zurückliegenden Mordfall um einen zerrissenen Rosenkranz unterhalten, in den sowohl Albert Glöcklein als auch Elisabeth Werner vor einiger Zeit verwickelt gewesen waren.
Nun wollte Prälat Glöcklein der weltgewandten Frau das «Botenlauben-Grab» zeigen. Auch sie gingen um den Hochaltar herum – und trafen unerwartet auf das Paar, das soeben die Reliefs auf der Grabplatte genauer studierte.
Glöcklein erschrak, als er Laubmann erblickte; und Laubmann erschrak, als er Elisabeth sah. ‹Das muss sie sein!›, schoss es ihm durch den Kopf, obwohl er Elisabeth nur von Fotos her kannte. Er hatte ihr noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden.
«Herr Dr. Laubmann, wenn ich nicht irre?» Auch Elisabeth Werner erkannte ihn. Ihre Begrüßung wirkte eine Idee zu sehr der Form geschuldet und hatte einen Hauch zuviel an Ironie, als dass sie von Philipp ganz natürlich hätte aufgenommen werden können. Er nickte deshalb nur starr. Und Elisabeth wartete vornehm ab. Dabei waren sie in ihren virtuellen Gesprächen doch bereits bei den Vornamen angelangt, obgleich sie sich noch siezten.
Lächelte sie etwa spöttisch? – Laubmann war erheblich verunsichert, konnte aber die Augen nicht von Elisabeth wenden, von ihrem ausdrucksstarken Gesicht, ihren schwarzen Locken. Er war regelrecht gelähmt und verstummt. Und wie konnte sie bloß mit diesem dickleibigen Glöcklein anbandeln?
«Grüß Gott!», schmetterte der Prälat fast genüsslich in die Runde, denn er hatte sich mittlerweile von seinem Schrecken erholt. Er hob abwehrend die rechte Hand gegen Philipp Laubmann: «Sie brauchen mich nicht vorzustellen, Herr Dr. Laubmann; Frau Schauberg und ich sind uns schon einmal in Bamberg begegnet. Das war bei einem Geburtstagsempfang unseres hochwürdigsten Herrn Erzbischofs.»
Nun blieb Philipp notgedrungen nichts anderes mehr übrig, als die Damen miteinander bekannt zu machen. Er hatte jählings ein schlechtes Gewissen gegenüber Elisabeth, als hätte er sie hintergangen. Deshalb versuchte er wortreich darzulegen, warum er sich mit Frau Schauberg nach Frauenroth begeben habe. Das sei sozusagen kein kultureller oder romantischer Besuch, sondern ein geschäftlicher hinsichtlich eines eventuellen Grundstücktausches in Zusammenhang mit einem angedachten Bauprojekt und eines daraus folgenden Umzugs des in Bamberg ansässigen Säkularinstituts hierher …
Elisabeth Werner ließ ihn zappeln. Sollte er sich ruhig bemühen. Heute war bereits Dienstag. Vor drei Tagen war sie hergekommen, und nicht nur der Gesundheit wegen, und er hatte sich überhaupt nicht nach ihr erkundigt. Sie war drauf und dran abzureisen. Selbst jetzt stellte er sich an, als hätte er ihr niemals Avancen gemacht und als hätten sie schriftlich nicht längst zu einem vertrauteren Ton gefunden.
Glöcklein zwinkerte immerzu boshaft mit den Augen und sinnierte sarkastisch: ‹Schau an, der ganz und gar nicht zölibatäre Dr. Laubmann.› Ihn irritierte einfach, dass sich die Damenwelt so sehr für Laubmann interessierte.
Schließlich gab Philipp es auf, weitere Erklärungen vorzubringen, und meinte frustriert: «Ist ja egal.» Dabei war er hauptsächlich von sich selbst enttäuscht.
Ein wenig bereute Elisabeth ihr förmliches Verhalten, wurde jedoch das Gefühl nicht los, dass er sich ihr entzog, zumal er überhaupt nicht auf sie zugegangen war. Er war halt ein Sonderling, wenn man's gütig betrachten wollte, ein Sonderling in einer abgetragenen mattgrünen Wolljacke.
Gabriela Schauberg ahnte, welche «Tragödie» sich soeben für ihren Bundesgenossen abspielte, und hielt sich diplomatisch klug im Hintergrund.
Glöcklein dagegen nicht. Wann hatte er den besserwisserischen Moraltheologen schon mal in einer dermaßen delikaten und schwachen Position vor sich. «Mir ist kürzlich zu Ohren gekommen, Sie hätten sogar eine Freundin in Mainz. Susanne Hertz. Sagt Ihnen der Name etwas?»
Jetzt war Laubmann richtig verärgert. «Sie und Ihre Spitzel! Gehört das für Sie mit zur Priesterausbildung?» – Dann wiegelte er rasch ab,
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