Teufelswasser
weitläufig um die Klostergebäude herum. Und er prüfe gerade die Funktion des Aufzugs, mit dem die Figur von ihrem erhöhten Platz am Hochaltar heruntergefahren werde.
Kriminalkommissar Ernst Lürmann zeichnete den Raum, die Gebrauchsgegenstände und die Aufzugskonstruktion mit vereinfachenden Strichen auf eine Doppelseite seines himmelblauen Notizbuches.
«Sie kommen her, um was über den Kollegen Müller rauszufinden. Hab ich recht?» Schaffer wischte sich mit einem verschmutzten Lappen über die fettigen Haare. Er hatte ungepflegte, kräftige Hände.
«Seit wann respektive von wem wissen Sie, dass Ihr Kollege tot ist?», fragte Glaser zurück.
Der Mesner gab das Säkularinstitut als Quelle an. «Ich hatte am Sonntag die Frühmesse zu betreuen.»
Die Oberkommissarin war recht erstaunt, dass das Institut diese Informationen so freimütig weitergab.
«Diese Frauen sind uns anscheinend immer einen Schritt voraus», räumte Glaser ein, «und leider hab ich das prinzipiell gestattet.»
Juliane Vogt schaute ihn befremdet an und übernahm die Initiative, indem sie von Schaffer erfahren wollte, wie er zu Reinhold Müller, seinem Vorgänger, gestanden habe und ob Müller für ihn ein Konkurrent gewesen sei.
«Wir sind ordentlich miteinander ausgekommen.»
«Aber warum waren Sie nicht der erste Mesner, sondern nur eine ‹Aushilfe›? Fehlt Ihnen die nötige Qualifikation?»
«Ich bin gut ausgebildet und ich hab Erfahrung. Herr Müller hatte eben die älteren Rechte. Es war seine Stelle.»
«Das heißt, Sie könnten vom Tod des Kollegen profitieren; jetzt, da eine Planstelle frei geworden ist?»
«Was bitte …?» Schaffer versuchte sich zu wehren.
Lürmann beruhigte ihn und meinte, dass kein dringender Tatverdacht gegen ihn bestünde.
Ungeachtet dessen setzte die Oberkommissarin ihre Befragung fort. «Wo waren Sie zur Tatzeit, also am vergangenen Freitag etwa zwischen 15 Uhr 30 und 19 Uhr?», wobei sie die mögliche Fahrzeit nach und von Bad Kissingen mit eingerechnet hatte.
Schaffer war ratlos. «Ich werd' zu Hause gewesen sein.»
«Kann das jemand bezeugen?»
«Keine Ahnung … nein … wahrscheinlich nicht.»
«Besitzen Sie ein Fahrzeug?»
«Ja, einen Kleinwagen.»
«Ein Kleinwagen genügt, um nach Bad Kissingen zu gelangen.»
Der Mesner besann sich für einen Moment. «Ich habe schon eine Zeugin. Ich war nämlich an dem Nachmittag doch kurz mal hier in der Kirche. Gegen 17 Uhr wird das gewesen sein. Unsere Putzhilfe war zu der Zeit in der Sakristei und hat den Fußboden gewischt; Frau Holzmann. Ich hab sie gesehen.»
«Haben Sie mit ihr gesprochen?»
«Ich glaube nicht. Aber sie wird mich auch gesehen haben.»
Juliane Vogt bat Ernst Lürmann, die Personalien des Mesners zu notieren sowie die Personalien der Reinigungskraft zwecks der Alibiüberprüfung. Lürmann tat dies äußerst bereitwillig – für die hübsche Oberkommissarin. Sein Notizbuch hatte er ja bereits zur Hand.
Im selben Moment ging, im rechten Seitenschiff und nur unweit vom Chorumgang, die schwere Eichentür zur Sakristei auf, und ein priesterlich-schwarz gekleideter Herr mit würdevollem Gesicht rief nach dem Mesner. Er hatte Stimmen vernommen; Stimmen menschlicher Natur allerdings. Er war ein Mann, der sich demütig darein schickte, was der himmlische Vater in seinem göttlichen Ratschluss für ihn vorgesehen haben mochte.
Die Gruppe um die Oberkommissarin drängte, mit Franz Schaffer am Ende, aus der Kammer des Hochaltars. Schaffer ließ das Licht an und die Tür offen, weil er nachher weiterarbeiten wollte.
Erneut nahm Glaser seinen Dienstausweis aus dem Mantel und stellte das Ermittlerteam vor. «Sind Sie der Pfarrer von Alt-Sankt-Anna?»
«Monsignore Siegbert Herold; ein Herold Gottes sozusagen», scherzte der Priester, was er immer so machte, und reichte den Besuchern die Hand. Sein Alter von 50 Jahren war ihm trotz der Mittelglatze nicht anzumerken. Die verbliebenen, hellbraunen Haare waren akkurat nach hinten gekämmt.
«Ich habe mir schon gedacht, dass Sie von Amts wegen hier sind. Ich muss gestehen, dass ich Ihre Ankunft vom Pfarramt aus beobachtet habe. Und wie ich sehe, hat Sie Herr Schaffer bereits in unsere ‹Geheimnisse› eingeweiht.»
«Nur in die sichtbaren», ließ Juliane Vogt verlauten.
Pfarrer Herold lächelte dazu, denn er konnte nicht einschätzen, wie ernst das gemeint war. «Ich würde Sie gerne hinüber in mein Büro bitten. Wenn Sie mir folgen möchten.»
***
Kommissar Lürmann war noch
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