Teufelswasser
als sei ihm eine Antwort unwichtig: «Susanne ist nur eine universitäre Bekannte. Sie schätzt im Übrigen meine Teufelsfiguren-Sammlung mehr als meine theologischen Ansichten.»
«Sie ist eben eine lutherische Pastorin.»
«Ich bin jedenfalls nicht, wie Sie es sind, ökumene- und frauenfeindlich.» Glöcklein kam ihm gerade recht als «Blitzableiter» für seine momentane Enttäuschung.
«Halten Sie sich etwa für unwiderstehlich?», entfuhr es dem Prälaten.
«Ich leide keineswegs unter Dysmorphophobie. – Sie vielleicht?» Das war böse.
Glöcklein verstand nicht so richtig, was der Fachausdruck bedeutete, und hätte am liebsten spitzfindig nachgefragt. Doch Elisabeth Werner wollte nicht, dass sich ein handfester Streit entwickelte, und drängte ihn zum Gehen. Darin, nämlich dass es besser sei, sich gleich wieder voneinander zu verabschieden, war sie sich mit Gabriela Schauberg einig. Das Aufeinandertreffen war daher so schnell vorbei, wie es zustande gekommen war.
Philipp schwieg auf der Rückfahrt nach Bad Kissingen. Gabriela saß am Steuer. Er bedauerte es, kein echtes Rendezvous mit Elisabeth vereinbart zu haben. Aber die Stimmung war nicht danach gewesen. Dabei hatte er Elisabeth geradezu als «verstörend betörend» empfunden und kam sich im Vergleich mit ihr keineswegs wie Philipp der Schöne vor. ‹Nun gut›, dachte er ausweichend bei sich, ‹ich würde ja auch nicht wie der Herzog von Burgund Johanna die Wahnsinnige von Kastilien ehelichen wollen›. Er fuhr sich mit seinem Stofftaschentuch über die Stirn, und ihm fiel erneut der Begriff «Dysmorphophobie» ein.
Doch wenn er ganz ehrlich war – und ein Moraltheologe sollte das sein –, dann hatte er vorhin einfach Angst vor dieser Frau aus Neuseeland gehabt. Und so sehr er sich ein Treffen mit ihr bisweilen gewünscht hatte, so wenig war ihm klar gewesen, wie er sich dabei geben solle. Für eine Liebesgeschichte war er derzeit nicht bereit; das war ihm schlagartig bewusst geworden. Ja, irgend so ein schmeichlerisches Geplänkel auf die Entfernung, das war eine willkommene Träumerei, und man konnte sich anbei manche Gefühlsregung einreden. Aber dieser Frau, dieser phantastischen Frau in der Realität zu begegnen, das war eine andere Sache.
Außerdem hatte er momentan gar keine Zeit. Und das verstand sie wohl nicht. Sie hatte ihm, fand er, so überhaupt kein Verständnis entgegengebracht. Und wahrscheinlich war diese Frau auch nicht zu verstehen; Frauen generell.
Zum Schluss tröstete er sich mit einem Gedanken, den er in Flauberts Roman Lehrjahre des Gefühls gelesen hatte: Die Herzen der Frauen sind wie die kleinen Möbel mit Geheimfach, voller ineinandergeschachtelter Schubladen; man müht sich, bricht sich die Nägel ab und findet dann im Innern eine vertrocknete Blume, Staubfäden oder die Leere! – Gabriela Schauberg schüttelte, wenn auch verständnisvoll, den Kopf, denn Philipp Laubmann hatte den Satz zu laut geflüstert.
Prälat Albert Glöcklein sah, an seinem Dienstsitz in Bad Kissingen angelangt, sogleich in einem Fremdwörterbuch nach, was der ihm unbekannte Fachausdruck genau bedeutete. Er las: «Dysmorphophobie: Der Wahn, extrem hässlich zu sein.»
XVII
SEIN DERZEITIGES LEBEN verlief über die Maßen aufregend, empfand er. Was waren die theologischen Forschungen für die Habilitation schon im Vergleich zu den hintergründigen Sondierungen in einem Mordfall, zudem in einem doppelten. Manchmal rieb er sich heimlich vor Freude die Hände. Philipp schoss, obwohl er noch müde war und ganz im Gegensatz zu seiner üblichen Gewohnheit, voller Tatendrang aus dem Bett, als sein Reisewecker klingelte. Er hatte sich am Vorabend, nach dem unglücklichen Erlebnis in Frauenroth, mit Gabriela Schauberg bis nach Mitternacht in einem Kissinger Weinlokal verlustiert und nach ein paar Schoppen Frankenwein rührselig von seiner EMail-Bekanntschaft Elisabeth Werner geschwärmt.
Doch die Oberkommissarin Juliane Vogt wollte ihn spätestens um neun Uhr in ihrer Polizeiinspektion sehen. Deshalb hatte sich Kommissar Ernst Lürmann mit ihm bereits um acht Uhr vor einer Konditorei in der Fußgängerzone Bad Kissingens verabredet, die um diese Zeit öffnete und ein Frühstücksbuffet anbot. Die auf Diät gesetzten Kurgäste sollten die Gelegenheit haben, sich für die nachherigen Anwendungen zu wappnen.
Gabriela Schauberg wollte sich ab heute wieder verstärkt ihrer Kur zuwenden, wohingegen sich Laubmann wohl erneut davor drücken musste. Dr.
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