Teufelswasser
intensives Gespräch vertieft, der für Gabriela Schauberg ebenfalls kein Unbekannter war. «Er ist in zweiter Ehe mit einer wesentlich jüngeren Frau verheiratet und hat zwei Söhne aus erster Ehe.»
Laubmann kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. «Die scheinen einander alle zu kennen.» Und zudem wunderte er sich, worüber Gabriela Schauberg so alles informiert war.
Friedolin Engel schritt durch die Reihen, tat gönnerhaft, klopfte aufmunternd hier und da bedeutsamen Herren auf die Schultern, fuchtelte abermals großspurig mit einer exquisiten Zigarre herum, die wieder nicht brannte, und verteilte Handküsse an aufgedonnerte Damen.
«Freut mich sehr, dass Sie Ihr Kommen ermöglichen konnten und dass somit das Säkularinstitut bei unserer Gala vertreten ist», begrüßte er Gabriela Schauberg jovial. Dabei küsste er ebenfalls ihre Hand und warf einen Seitenblick auf Laubmann.
«Dr. Philipp Laubmann, mein Begleiter, ein Moraltheologe», stellte ihn Gabriela vor.
«Na, das ist hoffentlich nichts Ansteckendes!», rief Engel und lachte schallend. Er wollte Laubmann ganz offensichtlich brüskieren. «Aber, Frau Schauberg, wie steht's in Bamberg? – Sind Sie dort schon einer Verkaufsentscheidung nähergetreten? Natürlich zu unseren Gunsten.»
«Sie werden sich weiterhin gedulden müssen.»
«Wir denken übrigens darüber nach, ob wir in Bad Kissingen unser Hotel- und Gesundheitsangebot um die Sparten Plastische Chirurgie und Gentechnologie erweitern sollten. Schönheits-Operationen und Gentechnik sind ein wachsender Markt.»
Jetzt konnte der Moraltheologe einhaken. «Heinrich Böll würde heute vielleicht, würde er noch leben, statt Ansichten eines Clowns genauso gesellschaftskritisch Ansichten eines Klons schreiben.»
«Aha!» Engel sah Laubmann entgeistert an und führte seine Zigarre zum Mund. Vom Nobelpreisträger Heinrich Böll hatte er noch nie etwas gelesen.
«Und überhaupt, welche Art Schönheit soll denn da herbeioperiert werden? Die Philosophie nämlich definiert Schönheit neutral als einen Sinneseindruck, der uns gefällt, ohne dass unsere Begierden gereizt werden .»
«Die Begierden?» Engel grüßte in seine Umgebung.
«Was man vom ‹wachsenden Markt› der SchönheitsOperationen sicher nicht behaupten kann.» Gabriela Schauberg schwenkte auf Laubmanns Linie ein. «Dort geht es in erster Linie begierig darum, etwas teuer verkaufen und sich etwas teuer erkaufen zu können. Im Sinne Platons aber steht die Idee des Schönen gleichrangig neben dem Wahren und dem Guten.»
Laubmann setzte noch eins drauf. «Und im Sinne Kants ruft Schönheit interesseloses Wohlgefallen hervor, ohne das Besitzstreben unmittelbar zu erregen.»
«Das Besitzstreben?» Engels unkonzentrierte Wiederholungen klangen dümmlich. «Man muss das Leben in vollen Zügen genießen, das ist meine Devise!»
«Die vollen Züge der Bahn sind nicht dazu angetan, das Leben zu genießen.» Laubmann war gespannt, ob Engel wenigstens dieses Wortspiel registrierte.
Doch dem war nicht nach wortreichen Spielereien zumute. Er wollte sich davonmachen und sich eher um finanzkräftigere Gäste bemühen. «Entschuldigen Sie mich; mein Mitarbeiter, Herr Schilf, wird Ihnen weitere Fragen beantworten.» Engel winkte dem Mann mit der Narbe zu: «Kommst du bitte mal?»
Gunther Schilf unterhielt sich gerade mit einem anderen Gast, denn niemand sollte sich ihnen an diesem Abend entziehen. «In einer Minute!»
Im Weggehen sagte Engel noch knapp: «Den Herrn neben meinem Mitarbeiter müssten Sie eigentlich kennen, Frau Schauberg.»
«Er wurde mir nicht vorgestellt.»
«Das wundert mich; Herr Weisinger ist der Kompagnon Ihres Hausarztes.»
Friedolin Engel wusste offenbar mehr als sie.
***
Schilf drängte es, seinen Auftrag zu erfüllen und sich um die Dame aus dem Säkularinstitut zu kümmern. Er bat seinen Gesprächspartner recht eindringlich, sich ihm anzuschließen, denn Schilf wollte ihn nicht aus den Augen verlieren. Nicht dass Weisinger Investoren, die bereits zu ihnen gewechselt waren, wieder abwarb.
Der Mitarbeiter Engels kam auf Gabriela Schauberg zu und strahlte eine professionelle Zuvorkommenheit aus, die Laubmann gern mit «geschäftstüchtiger Verkommenheit» betitelte. Auch Schilf deutete einen Handkuss an, zumal ihm Gabriela die rechte Hand leicht gesenkt entgegengehalten hatte, sodass er diese zart hatte anheben können.
«Gunther Schilf, sehr erfreut.» Er hatte eine überraschend sanfte, eindringliche Stimme.
«Sie waren
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