Teufelswasser
schon einmal bei uns auf dem Grundstück, richtig?», antwortete Gabriela Schauberg burschikos.
«Ein bezauberndes Fleckchen Erde. Aber darf ich Ihnen Herrn Weisinger vorstellen; ich glaube, Sie beide kennen sich noch nicht.» Schilf wies auf seinen Begleiter.
«Gestatten, Peter Weisinger.» Er reichte ihr nur die Hand.
Der «Grande Dame» des Säkularinstituts fielen sofort der stechende Blick und der schmale Mund dieses Mannes auf, was ihm etwas Charismatisches verlieh. Nur die breitere Nase und die etwas oberflächliche Aussprache störten sie. Er hatte sehr kurz geschorenes schwarzes Haar und mochte um die 45 sein. Gabriela vollführte ihrerseits eine liebreizende Geste zu Philipp hin: «Mein Begleiter, Dr. Laubmann, der Theologe.»
Die Herren begrüßten ihn per Handschlag.
«Schön, Sie endlich direkt kennenzulernen», sagte Laubmann durchaus doppeldeutig zu Schilf und dachte dabei an Kornfeld. Außerdem hatte er bei der Erwähnung des Namens immer sofort das Schilf am Teich des Schlossparks vor Augen.
Gunther Schilf wandte sich erneut an Gabriela Schauberg. «Ich stehe Ihnen uneingeschränkt zur Verfügung, gewissermaßen stellvertretend für Herrn Engel. Wenn Sie Fragen wegen unserer Projekte haben …»
Gabriela tat interessiert. Für Peter Weisinger jedoch war das die Chance, Schilf zu entkommen. «Dabei will ich nicht stören.» Er neigte rasch den Kopf zum Abschied und verschwand sogleich in der Menge, weil er wie Friedolin Engel Besseres vorzuhaben schien.
Da er Weisinger nicht hatte aufhalten können, konzentrierte sich Gunther Schilf nun voll auf die Vertreterin des Säkularinstituts. «Sie haben ja schon einiges mit meinem Chef besprochen.»
«Eher Grundsätzliches zum Thema ‹Schönheit›.» Gabriela Schauberg wollte die Debatte eigentlich nicht wieder aufwärmen.
«Mit dem Thema habe ich mich einmal sehr lange auseinandergesetzt», bekannte Schilf ganz ruhig. Es sei ihm bewusst, dass die Plastische Chirurgie oft ablehnend beurteilt werde, doch er habe sehr positive Erfahrungen damit gemacht. Er sei in jüngeren Jahren Privatdetektiv gewesen und habe bei einem schweren Sturz erhebliche Gesichtsverletzungen davongetragen. Aber bis auf die Narbe an seiner Schläfe sei dank medizinischer Mittel sein Gesicht wiederhergestellt worden. Die Narbe halte seither in ihm die Erinnerung daran wach, wie brüchig und vergänglich das Leben sei.
Philipp war beeindruckt; eine solche Tiefgründigkeit hatte er Schilf nicht zugetraut. Er dachte sogar noch darüber nach, als sie sich längst von Engels «rechter Hand» verabschiedet hatten.
«Von diesem Herrn Weisinger habe ich im Institut schon gehört», sagte Gabriela Schauberg zu Laubmann, «aber ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen. Und trotzdem kam er mir nicht ganz unbekannt vor.» Sie grub in ihrem Gedächtnis nach Bildern aus ihrer Zeit als Journalistin.
«Vielleicht gab's über ihn ein ähnliches Gerede wie über die anderen. Vielleicht etwas mit Bestechung.» Laubmann hatte erneut Kornfeld vor Augen.
«Ich habe alle meine Unterlagen weggegeben, als ich mich für das Leben im Institut entschieden hatte. Aber falls ich daran denke, frage ich einen ehemaligen Kollegen, wenn ich irgendwann mit ihm telefoniere.»
Flotte Tanzmusik wurde gespielt. Laubmann häufte sich unterdessen zum zweiten Mal unmäßig Speisen auf seinen Teller, wobei das Prinzip seiner Auswahl leicht zu erkennen war: Alles war auf dem Teller nämlich nach Farben sortiert; rote Wurstsorten in einem Segment, gelbe Käsestücke in einem anderen, außerdem grüne Gemüseteilchen.
«Und was ist mit Ihrer Diät?», erkundigte sich Gabriela Schauberg.
« Post rem devoratam ratio – Diät halten erst nach dem Schlemmen , schreibt der römische Komödiendichter Plautus.»
XXII
DER GALAEMPFANG WAR noch lange nicht zu Ende, obwohl die Mitternacht bereits vergangen war. Gabriela Schauberg hatte freilich genug, und sie hatte genug wahrgenommen. Beim Essen und Trinken allerdings hatte sie sich weitaus gemäßigter verhalten als Philipp Laubmann. Nun empfand sie das Bedürfnis, ihr Hotel aufzusuchen, um der Schläfrigkeit nachzugeben.
Laubmann, ihr Kavalier, hatte selbstverständlich vor, sie dorthin zu geleiten. Sie waren schon im Aufbruch begriffen und hatten sich an der Garderobe eingefunden, als sich ausgerechnet Prälat Albert Glöcklein zu ihnen gesellte und Dr. Laubmann unaufschiebbar zu sprechen wünschte; unter vier Augen, sofern es möglich sei. Er war ihnen nachgeeilt.
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