Teufelswasser
verschrieben. Für sie selbst, fand Gabriela, zählte in ihrem Leben nichts dergleichen mehr, sondern nur die christlich gewagte Menschlichkeit.
Sie hatte zum Schluss einfach gehen wollen. Sollte Philipp Laubmann ruhig mit Albert Glöcklein ausgiebig reden. Die zwei waren ihr noch munter genug vorgekommen. Sie selbst fror vor Müdigkeit und zog ihren dunkelblauen Mantel enger um sich. Leichter Wind kam auf, drüben von der Saale her. Fast hätte Gabriela sich geängstigt, als sie am Rande des Platzes jemanden in einem der luxuriösen Wägen wahrnahm. Sie sah zuerst nur den Rücken eines vornübergebeugten Mannes, erkannte dann aber rasch, dass er nicht allein war. Barbara Brender und Dr. Rüdiger Pabst küssten sich heftig. Ihre lustvolle Liebe schien sehr jung zu sein. Das war bereits im Festsaal zu erkennen gewesen. Barbaras verbundene Hand lag auf seinem Rücken.
Gabriela Schauberg war ein bisschen irritiert und hatte nicht zu dem leidenschaftlichen Paar zurückgeblickt. Mochte sein, dass sie von den beiden gesehen worden war. Es war nicht mehr ihre Welt, obgleich ihr Liebeleien vor ihrer Entscheidung für das Säkularinstitut nicht fremd gewesen waren. Aber sie hatte für sich jener oberflächlichen Welt aus Überzeugung abgeschworen.
Mit nächtlicher Beleuchtung geizte man in Bad Kissingen nicht. Überall verströmten die Straßenlaternen und die Auslagen der Geschäfte Helligkeit. Dennoch war außer Gabriela kein Mensch mehr unterwegs. Vielleicht hätte sie doch auf Laubmann warten sollen. Der Wind war stärker geworden, fegte über die Straße und durch die Vorgärten einiger villenartiger Gebäude. Seltsamerweise fuhr nicht einmal ein Auto vorüber. Ohne das Rauschen des Windes wäre es ganz still gewesen.
Kaum aber hatte sie sich an sein Rauschen gewöhnt, vernahm sie Schritte hinter sich auf dem Gehsteig. Sie bog in eine Gasse ab, die eine Abkürzung zu ihrem Hotel war. Hier waren nur ihre eigenen Schritte zu hören; nicht einmal der Wind strich durch diese schmale Straße. Kaum dass sie bis zur Hälfte der Gasse vorangekommen war, mischte sich unter den Hall ihrer Schritte das Geräusch eines zweiten, schnelleren Schrittpaares. Sie drehte sich um, wagte diesmal einen Blick; nur, die Gasse war in Ermangelung von Schaufenstern bei weitem nicht so hell wie die breiteren Straßen. Das Licht der beiden Laternen – eine am Anfang, eine am Ende der Gasse – war zudem schwächer.
Eine dunkle, düstere Gestalt lief ihr vom Anfang der Gasse her nach. Sie war schwarz gekleidet. Ein schwarzer Mantel oder Umhang, schwarze Handschuhe. Und absurderweise war selbst der Kopf zur Gänze schwarz.
Jetzt bekam es Gabriela Schauberg wirklich mit der Angst zu tun. Instinktiv begann sie davonzulaufen. Welchen Weg sie einschlug, darauf achtete sie nicht mehr, zumal die Person, von der sie verfolgt wurde, sie bald eingeholt haben würde. Die Schritte kamen näher. Doch Gabriela kannte sich in der Stadt kaum aus, hatte lediglich einmal eine Besichtigungstour unternommen.
Zum wiederholten Mal änderte sie die Richtung, wie bei einem Zickzacklauf, und plötzlich stand sie fast völlig in der Finsternis. Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie war ganz real, und nicht nur sprichwörtlich, in einer Sackgasse gelandet, in einer Art Hinterhof, einer Zufahrt zu einem Rückgebäude.
Wenige Sekunden blieben. Sie erspähte an einer der fensterlosen Wände eine Tür mit einer kleinen, schräg ansteigenden Rampe davor. Doch ehe Gabriela darauf zustürzen konnte, hatte die schwarz gekleidete Erscheinung ebenfalls die Sackgasse erreicht und versperrte ihr endgültig den Rückweg.
Der Haltung und dem Körperbau nach musste es ein Mann sein. Und sein absonderlich schwarzer Kopf erwies sich als eine bis zum Hals heruntergezogene Wollmütze, mit ausgeschnittenen Augenlöchern.
Der Unbekannte hielt für einen Moment inne, atmete schwer, und fixierte sein Opfer stumm. Das Messer in seiner rechten Hand war beinahe nicht zu erkennen. Eine ruckartige Bewegung durchfuhr ihn, ehe er auf Gabriela losstürzte.
Ihre einzige Fluchtmöglichkeit konnte nur die Tür sein, eine eiserne Tür. Ein flehendes Gefühl in Gabriela schrie nach Gott, dass diese Tür nicht verschlossen sein möge. Gabriela rüttelte in ihrer Panik an der Klinke, anstatt sie niederzudrücken, und wollte, als sich nichts bewegte, schon aufgeben. Dann zerrte sie noch einmal an ihr. Die Tür ließ sich nach außen öffnen. Gabriela riss sie auf und glaubte bereits, den Körper des
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