Teufelswasser
mit der Abkürzung? Bei etwas Ideellem hätten es auch ein abstrakter Begriff oder eine Metapher getan.»
«Und dieses ‹Gegenständliche› soll hier in der Kirche sein?»
«Ganz recht. Ich habe mich deshalb gefragt, wofür ‹SKR› in einer Kirche stehen kann und worin man zugleich etwas verstecken könnte. Ein Sakramentar zum Beispiel, also eine frühe Form des Messbuchs. Aber die Sakramentare wurden bereits im Mittelalter durch die Missalien ersetzt. Das war's nicht. Ein Sakramentshäuschen wäre eine Möglichkeit. Ein solches aus der Zeit der Gotik war zwar in dieser Kirche vorhanden, es ist aber während der Barockisierung entfernt worden. Die Sakristei hinwiederum ist zu groß, um als konkretes Versteck benannt zu werden. Dafür wäre eine ergänzende Angabe nötig. – Doch dann hat mir die Zeichnung aus deinem Notizbuch weitergeholfen. Sie ist gottlob sehr akkurat.»
Ernst Lürmann freute sich. «Ich wusste, sie taugt etwas.»
Philipp entfaltete das Blatt und hielt es so hin, dass sie beide draufschauen konnten. Er zeigte mit dem Finger auf die Stelle, die er meinte. «Du hast hier beim Fußboden des Hohlraums hinter dem Hochaltar eine kleine Abdeckung eingezeichnet. – Siehst du sie?»
Lürmann sah genauer hin. «Ich hab nur skizziert, was da war.»
«Du hast die Abdeckung also nicht untersucht?»
«Nein.»
«Das könnte nämlich ein Sakrarium sein, und womöglich ein ideales Versteck.»
«Und was ist ein ‹Sakrarium›?» Das Wort war Lürmann noch nie untergekommen.
«Ein unauffälliger Schacht mit Tradition, der allerdings nicht in jeder Kirche existent ist», referierte Laubmann. «Wenn benutztes Taufwasser oder verschmutztes Weihwasser weggegossen werden muss, dann wird das nicht einfach achtlos irgendwo hingeschüttet, sondern man gießt dieses geheiligte Wasser ins Sakrarium, also in eine dafür vorgesehene Senkgrube, die meist nicht sehr tief ist, aber bis in den Erdboden hineinreicht, sodass das Wasser in der Erde versickern kann. Auch wenn eine Hostie zu Boden fällt und daher nicht mehr verwendet werden kann, wird sie in Wasser aufgelöst, das dann ebenfalls ins Sakrarium kommt.»
«Und du meinst, so ein Ausguss ist hinter dem Altar?»
«Ich möcht's überprüfen.»
«Das heißt, wir benötigen den Pfarrer oder den Mesner – und einen Schlüssel.»
Kaum dass Ernst Lürmann den Satz ausgesprochen hatte, öffnete sich rechts von ihnen die Tür zur Sakristei und Franz Schaffer tat ein, zwei Schritte in die Kirche. Als er den Kommissar jedoch erblickte, machte er sogleich wieder kehrt und entschwand in der Sakristei.
Lürmann sprang auf und drängte aus der Kirchenbank. «Nicht so schnell, Herr Schaffer!» Er lief ihm nach.
Der Mesner war in der Sakristei auf der Höhe des schweren Schranks mit den Priestergewändern für die Gottesdienste stehengeblieben und versuchte gar nicht vorzugeben, beschäftigt zu sein. Mit einem Ausdruck des Belästigtwerdens und der Scheu zugleich drehte er sich um. Seine fettigen Haare glänzten.
«Warum laufen Sie vor mir weg?», erkundigte sich der Kommissar nicht ohne Nachdruck.
«Warum wohl?» Schaffer hatte noch von der letzten Begegnung genug. «Wollen Sie mich schon wieder vorladen?»
«Heute nicht.»
«Wieso schleichen Sie dann in meiner Kirche herum?»
« Ihrer Kirche?»
«Was wollen Sie denn hier finden?»
Lürmann wurde ironisch: «Ich bedauere, Sie inkommodieren zu müssen bei unserer Suche nach Beweisstücken.»
«Sie tun ja gerade so, als wär der Mord in der Kirche passiert.»
Philipp Laubmann blinzelte durch den Türspalt, bevor er eintrat. «Wir sind uns bereits im Säkularinstitut begegnet, Herr Schaffer.»
Der Mesner vermochte sich auf Anhieb nicht zu erinnern. Und hinter der verspiegelten Trennscheibe des Vernehmungsraums hatte er beim Verhör durch die Kommissare Laubmann ohnedies nicht wahrgenommen.
«Wir möchten Sie nur um eine Gefälligkeit bitten», sagte Dr. Laubmann höflich und erläuterte ihm ihr Anliegen, wobei er noch einmal ausführlich und zum Missbehagen Lürmanns seine Schlussfolgerungen zum Thema «Sakrarium» darlegte.
«Von mir aus», brummte Schaffer und streifte unachtsam an den beiden Detektiven vorbei, um aus dem Hängeschränkchen neben der Schalttafel für die Kirchenbeleuchtung den Schlüssel für die Tür am Altar zu holen.
So hatte für Lürmann rechtlich wenigstens alles seine Ordnung, da Schaffer sie aus freien Stücken den Abstellraum betreten ließ.
«Benutzen Sie das Sakrarium des
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