Teufelswasser
fahren müssen.
«Die Kollegen werden das überprüfen», sagte Lürmann schnörkellos.
Am Freitagnachmittag, dem Tag des zweiten Mordes, war Elli Hartlieb nach eigenen Angaben in ihrem Büro in Oberbirnenbach. Das Blatt in ihrem Kalender sei nämlich leer. Freilich sei sie am Nachmittag hier ohne Zeugen gewesen, denn die Damen des Sekretariats hätten bereits Feierabend gehabt.
Und während des Anschlags auf Frau Schauberg, wovon sie bisher nichts gewusst habe, sei sie im Festsaal gewesen.
«Nicht jede Quelle ist ergiebig», äußerte Laubmann beim Weggehen.
***
Das Unangenehme an diesem Bamberger Gewerbegebiet war nicht so sehr das übermäßige Verkehrsaufkommen, sondern die Zerstückelung, also der mangelnde Überblick, die fehlende Struktur und Ästhetik. Juliane Vogt glaubte, sich in der Bamberger Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen schneller zurechtfinden zu können als hier. Dabei hatte ihnen Dr. Walther genau beschrieben, wo das Büro seines Kompagnons Peter Weisinger lag.
Doch der Firmensitz des Immobilien- und Finanzberaters war alles andere als ein gut sichtbares Schmuckstück. Es handelte sich schlicht um einen Büro-Container, der sich, nach hinten versetzt, auf einem ungepflegten Grundstück befand. Und dieses glich am ehesten einer Baustelle. Sogar ein ausrangiertes Baufahrzeug war vorhanden, ein Schaufelbagger. Daneben erhoben sich wahre Türme aus Holzpaletten, deren Bretter feucht und teilweise durchgebrochen waren. Wie zum Hohn glänzte neben der Eingangstür des Containers ein blank geputztes Messingschild mit Weisingers Namen und Dienstleistungsangeboten.
‹Wie so manches Internet-Portal: aufgemotzt und nichts dahinter›, kam es Glaser in den Sinn. Seinen Stockschirm hatte er wieder im Wagen gelassen.
Die Klingel schnarrte, als Vogt sie betätigte.
Peter Weisinger öffnete selbst. Er war nachlässig gekleidet: Seine Wildlederjacke war reichlich abgeschabt, die Cordhose lange nicht gebügelt worden. Sein stechender Blick sowie das kurz geschorene schwarze Haar wirkten in jenem Moment weniger charismatisch denn abweisend. An den Händen trug er braune fingerlose Wollhandschuhe.
Glaser und Vogt zückten wie üblich ihre Ausweise, nannten den Grund ihres Besuchs und begaben sich, mit Erlaubnis Weisingers, ins Innere des Containers, bestehend aus einem Gang, der zu einem Hauptraum mit Büro, einem Nebenraum, einem Bad, einer Toilette und zu einer kleinen Küche führte. Gleich am Anfang erfuhren sie, dass Weisinger in dem Container auch wohnte, nämlich im Nebenraum, wo er ein Bett und ein Fernsehgerät hatte. Ein sich im Durchgang befindender Kleiderständer, mit Regenjacke, Mantel und Hut, wurde vom Firmeninhaber rasch weggerückt. Trotzdem blieb es eng.
Bei den Routine-Fragen nach den Alibis sagte Weisinger aus, dass er sich zu beiden Tatzeiten hier in seinem Büro beziehungsweise seiner Wohnung aufgehalten habe. Er zog wie Dr. Walther und Elli Hartlieb einen Terminkalender zurate. Sie könnten sich auch bei seinen Nachbarn zur Linken erkundigen, den neugierigen Ast-Heyderbachs. – Ja, beim Säkularinstitut sei er ein paar Mal gewesen, habe es sich von außen angesehen, weil er sich für das mit Dr. Walther gemeinsam entwickelte Projekt habe kundig machen wollen. – Bad Kissingen sei ihm wegen gelegentlicher Immobilien-Geschäfte vor Ort nicht unbekannt. Über das Alte Kurbad aber wisse er nichts Näheres.
Dietmar Glaser war nun doch froh, dass seine Kollegin einiges notierte.
«Sind Sie mit Frau Schauberg bekannt?», fragte die Oberkommissarin den Immobilienmakler.
«Sie wurde mir vor wenigen Tagen bei einem Gala-Empfang in Bad Kissingen vorgestellt.»
«Und wo waren Sie an diesem Gala-Abend um Mitternacht?», hakte Juliane Vogt nach.
«Im Regentenbau», antwortete Weisinger ohne Zögern. «Warum?»
«Weil auf Frau Schauberg ein Mordanschlag verübt wurde.»
«Also von einem Mordanschlag hab ich nichts mitbekommen. Was denken Sie von mir?»
«Da Sie mit dem Säkularinstitut vertraut sind, Herr Weisinger», ergriff Hauptkommissar Glaser das Wort, «sind Sie dort auch Margarete und Reinhold Müller begegnet?»
«Sie kenne ich dem Namen nach, ihn überhaupt nicht.»
«Sie sind beide tot. Wussten Sie das nicht?»
«Jetzt, wo Sie's erwähnen … doch, ich meine, davon gehört zu haben.»
***
Das benachbarte junge Ehepaar Ast-Heyderbach besaß ein Bürohaus mit zwei Stockwerken und flachem Dach. Im Parterre wurde gearbeitet, im Stockwerk darüber befand sich die Wohnung.
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