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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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völlig blind.«
    »Das ist gut.«
    Lee saß schweigend da. Ig wartete.
    »Haben sie dir alles erzählt?«
    »Das ist mir egal«, sagte Ig. »Du hast mich aus dem Fluss gezogen. Mehr muss ich nicht wissen.«
    Ig bekam erst mit, dass Lee weinte, als er das gequälte Schniefen hörte. Er wimmerte wie jemand, dem man eine glühende Zigarette auf dem Handrücken ausdrückte. Ig ging einen Schritt auf ihn zu und stieß dabei einen Stapel CDs um, die Scheiben, die er Lee geschenkt hatte.
    »Willst du die wiederhaben?«, fragte Lee.
    »Nein.«
    »Was dann? Willst du dein Geld zurück? Ich hab keins.«
    »Was für Geld?«
    »Für die Zeitschriften, die ich dir verkauft hab. Die ich gestohlen hab!« Das Wort »gestohlen« betonte er mit fast genießerischer Verbitterung.
    »Nein.«
    »Warum bist du dann hergekommen?«
    »Weil wir Freunde sind.« Ig trat einen weiteren Schritt vor und stieß einen leisen Schrei aus. Lee weinte Blut. Sein Verband war blutig, und das Blut lief ihm über die linke Wange. Geistesabwesend fasste sich Lee mit zwei Fingern ans Gesicht. Als er sie sinken ließ, waren sie rot.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Ig.
    »Es tut weh, wenn ich weine. Ich muss lernen, gleichgültiger zu werden.« Er holte tief Luft, und seine Schultern hoben und senkten sich. »Ich hätte es dir sagen sollen. Alles. Das war wirklich mies, dir diese Zeitschriften zu verkaufen.
Und dich anzulügen, wegen dem Geld. Nachdem ich dich besser kennengelernt habe, wollte ich es dir zurückgeben, aber da war es zu spät. So behandelt man seine Freunde nicht.«
    »Davon wollen wir jetzt nicht anfangen. Ich wünschte, ich hätte dir die Kirschbombe nie gegeben.«
    »Vergiss es«, sagte Lee. »Ich wollte sie ja. Das war allein meine Entscheidung, mach dir deshalb keine Sorgen. Nur bitte, Ig, fang nicht an, mich zu hassen. Ich brauch wirklich jemand, der mich noch mag.«
    Er musste nicht fragen. Als Ig sah, wie das Blut durch den Verband sickerte, wurden ihm die Knie weich. Er musste seine ganze Willenskraft zusammennehmen, um nicht daran zu denken, wie er Lee den Böller unter die Nase gehalten hatte, wie sie darüber gesprochen hatten, etwas gemeinsam in die Luft zu jagen. Dass er es war, der Merrin abbekommen hatte, obwohl Lee ins Wasser gesprungen war und ihn rausgezogen hatte, als er am Ersaufen war - er kam sich vor wie ein Verräter.
    Er setzte sich neben Lee auf das Bett.
    »Sie wird dir sagen, dass du dich nicht mehr mit mir herumtreiben sollst«, sagte Lee.
    »Meine Mutter? Nein. Nein, die ist froh, dass ich dich besuche.«
    »Nicht deine Mutter. Merrin .«
    »Was redest du da? Sie wollte mitkommen. Sie macht sich Sorgen um dich!«
    »Ach?« Lee erbebte eigenartig, so als fröstelte ihm. Dann sagte er: »Ich weiß, warum das passiert ist.«
    »Das war ein beschissener Unfall. Sonst nichts.«
    Lee schüttelte den Kopf. »Es ist passiert, um mich an etwas zu erinnern.«

    »An was?«, fragte Ig.
    Lee rang mit den Tränen. Er wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Wange. Zurück blieb ein langer dunkler Streifen.
    »Um dich an was zu erinnern?«, fragte Ig noch einmal, aber Lee zitterte, so sehr musste er sich anstrengen, nicht gleich wieder loszuheulen, und Ig erhielt nie eine Antwort.

DIE FEUERPREDIGT

KAPITEL 21
    Ig gab Gas und ließ sein Elternhaus hinter sich zurück - den zerschlagenen Körper und den zertrümmerten Rollstuhl seiner Großmutter ebenso wie Terry und sein grässliches Geständnis. Er hatte keine Ahnung, wohin er jetzt gehen wollte. Aber immerhin wusste er, wohin er nicht gehen wollte: in Glennas Wohnung, in die Stadt. Er wollte keinen Menschen mehr sehen, keinen Menschen mehr hören.
    Er hielt eine Tür in seinem Kopf geschlossen, warf sich mit dem ganzen Gewicht seines Geistes dagegen, während zwei Männer von der anderen Seite versuchten, sie aufzustemmen: sein Bruder und Lee Tourneau. Er brauchte seine ganze Willenskraft, um sie daran zu hindern, seine letzte Zuflucht zu stürmen. Und er wusste nicht, was geschehen würde, wenn die Tür nachgab.
    Ig folgte der schmalen Bundesstraße über sonnenbeschienenes Weideland und unter Bäumen hindurch, deren Äste über die Straße reichten, hinein in Korridore flackernder Finsternis. Irgendwo sah er im Straßengraben einen umgekippten Einkaufswagen und fragte sich, wie der wohl mitten im Nirgendwo gelandet war. Die Leute verschwendeten einfach keinen Gedanken darauf, was mit den Sachen geschah, die sie irgendwo stehen ließen. Ig hatte in jener Nacht seine

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