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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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immer noch zurückkommen. Aber er wusste, dass er es nicht furchtbar finden würde. Es war genau das, was er immer hatte tun wollen, sein Traumjob. Und wenn es ihm in England gefiel - und das würde es - und er dort bleiben wollte, konnte sie ja nachkommen. Harvard hatte ein Austauschprogramm mit dem Imperial College London, und ihr Mentor, Shelby Clarke, wählte die Teilnehmer aus; sie würde ganz bestimmt einen Platz bekommen. Sie konnten sich in London eine kleine Wohnung mieten. Sie würde ihm, nur mit einem Slip bekleidet, Tee und Gebäck ans Bett bringen, und danach würden sie miteinander schlafen. Ig war begeistert. Also nahm er die Stelle an und verbrachte drei Sommerwochen in New York, um sich darauf vorzubereiten. Und jetzt war
er wieder da, und sie strich alle möglichen Dinge glatt, was ihn aber nicht weiter überraschte.
    Er arbeitete sich durch das Gedränge bis zu ihr durch, und bevor er ihr gegenüber in die Nische glitt, beugte er sich vor, um sie zu küssen. Sie hob nicht den Kopf, und so musste er sich damit zufriedengeben, ihr kurz die Lippen auf die Schläfe zu drücken.
    Vor ihr stand ein leeres Martiniglas, und als die Bedienung vorbeikam, bestellte sie noch einen und ein Bier für Ig. Er betrachtete sie versonnen - den weichen Schwung ihres Halses, den dunklen Glanz ihres Haars im trüben Licht, und anfangs ließ er ihre Worte einfach an sich vorbeirauschen, murmelte etwas an den richtigen Stellen, hörte ihr nur halb zu. Erst als Merrin ihm erklärte, dass er seine Zeit in London als Urlaub von ihrer Beziehung betrachten solle, horchte er auf, und selbst da glaubte er noch, sie würde spaßen. Dass sie es ernst meinte, begriff er schließlich, als sie davon redete, es wäre wahrscheinlich gut für sie beide, wenn sie etwas Zeit mit anderen Leuten verbringen würden.
    »Ohne Kleider«, sagte Ig.
    »Kann nicht schaden«, sagte sie und kippte etwa die Hälfte ihres Martinis hinunter.
    Mehr die Art und Weise, wie sie ihren Drink hinunterstürzte, als ihre Worte, jagte ihm eine Heidenangst ein. Sie trank sich Mut an.
    »Glaubst du etwa, dass ich nicht ein paar Monate warten kann?«, sagte er. Er wollte schon einen Witz über Selbstbefriedigung machen, doch bevor er zur Pointe gelangte, geschah etwas Seltsames. Ihm stockte der Atem, und er brachte kein Wort mehr heraus.
    »Weißt du, ich möchte mir einfach keine Gedanken machen müssen, was in ein paar Monaten mit uns ist. Wir
wissen ja nicht, was du in ein paar Monaten empfindest. Oder ich. Ich möchte nicht, dass du nur nach Hause zurückkommst, damit wir zusammen sein können. Oder dass ich nur deswegen in England studiere. Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, was jetzt passiert. Mit wie vielen Mädchen warst du schon im Bett? In deinem ganzen Leben?«
    Er starrte sie fassungslos an. Er kannte diesen Gesichtsausdruck - diese gerunzelte Stirn, diese konzentrierte Miene. Aber bisher hatte er noch nie Angst davor gehabt.
    »Die Antwort darauf kennst du«, sagte er.
    »Nur mit mir. Und so läuft das nicht. Niemand verbringt sein ganzes Leben mit dem Menschen, mit dem er das erste Mal geschlafen hat. Nicht heutzutage. Kein einziger Mann auf dem ganzen Planeten tut das. Du solltest noch andere Erfahrungen machen.«
    »Heißt das so? ›Erfahrungen machen‹? Wie geschmackvoll.«
    »Na schön«, sagte sie. »Du solltest mal mit ein paar anderen Frauen vögeln.«
    In dem Moment jubelte ein Großteil der anderen Gäste. Anscheinend hatte jemand gepunktet.
    Er wollte etwas sagen, aber seine Zunge klebte am Gaumen, und er musste einen Schluck Bier trinken. Das Glas war fast leer. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass das Bier gebracht worden war, und auch nicht, es getrunken zu haben. Es war lauwarm und salzig, wie ein Mundvoll Meerwasser. Sie hatte bis heute gewartet, zwölf Stunden, bevor er den Ozean überquerte, um ihm das zu sagen - um ihm zu sagen, dass …
    »Willst du Schluss mit mir machen? Und das sagst du mir heute?«

    Die Kellnerin stand mit einem Brotkorb neben dem Tisch und lächelte verlegen.
    »Möchten Sie etwas bestellen?«, fragte sie. »Noch einen Drink?«
    »Noch einen Martini und noch ein Bier, bitte«, sagte Merrin.
    »Ich will kein Bier mehr«, sagte Ig, und fast hätte er seine eigene Stimme nicht erkannt, so belegt und trotzig klang sie.
    »Dann bitte zwei Martinis mit Limetten«, sagte Merrin.
    Die Kellnerin ergriff die Flucht.
    »Was zum Teufel soll das? Ich habe ein Flugticket, eine Mietwohnung und ein

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