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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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beste Freundin Merrin Williams in einem Anfall
kindischen, selbstgerechten Zorns im Stich gelassen - und was war passiert? Na also.
    Er musste daran denken, wie er vor zehn Jahren mit dem Einkaufswagen den Evel-Knievel-Hang runtergerast war, und unwillkürlich fasste er sich an die Nase, die an der Bruchstelle immer noch eine leichte Krümmung aufwies. Vor seinem geistigen Auge tauchte seine Großmutter auf, wie sie mit ihrem Rollstuhl den langen Abhang vor dem Haus hinunterraste - wie die Gummiräder über die zerfurchte Wiese holperten. Was sie sich wohl alles gebrochen hatte, als sie schließlich in den Zaun gekracht war? Hoffentlich den Hals. Vera hatte ihm erklärt, dass sie jedes Mal, wenn sie ihn sah, wünschte, sie wäre tot. Bitte schön, das konnte sie haben. Ig hatte sich immer für einen Menschen gehalten, der wusste, was er anderen schuldete. Wenn er sie umgebracht hatte, war das doch ein guter Anfang! Aber er war längst noch nicht fertig.
    Sein Magen verkrampfte sich, was Ig als Symptom seiner Verzweiflung abtat, aber als er dann auch noch anfing zu knurren, musste Ig sich eingestehen, dass er Hunger hatte. Er überlegte, wo er etwas zu essen bekäme, ohne mit allzu vielen Menschen konfrontiert zu werden, und in dem Moment glitt The Pit links an ihm vorbei.
    Das Lokal, in dem er sein letztes Abendmahl mit Merrin hatte. Seither war er nicht mehr dort gewesen. Er bezweifelte, dass er willkommen sein würde. Allein der Gedanke war schon Einladung genug. Ig fuhr auf den Parkplatz.
    Es war früher Nachmittag, jene träge Tageszeit nach dem Mittagessen bevor die Leute auftauchten, um ein Feierabendbier zu trinken. Ig sah nur wenige Autos, und die gehörten, so vermutete er, den ambitionierteren Alkoholikern. Auf der Tafel vor dem Eingang stand:
    Chicken Wings 10 Cent & Bud 2 Dollar
Donnerstags Damen Drinks frei
Vorwärts Gideon Saints!
    Er stieg aus dem Wagen, die Sonne im Rücken, sein Schatten drei Meter lang - ein Strichmännchen mit schwarzen Hörnern, die auf den roten Eingang des Pit zeigten.
     
    Als er eintrat, war Merrin bereits da. Obwohl das Lokal voll war - lauter Studenten, die sich das Spiel anschauten -, entdeckte er sie sofort. Sie saß in ihrer gewohnten Nische und hatte das Gesicht ihm zugewandt. Wie immer, wenn er sie sah, und ganz besonders, wenn sie sich schon eine Weile nicht mehr getroffen hatten, verspürte er ein leises Kribbeln auf der Haut. Sie hatten sich seit drei Wochen nicht mehr gesehen, und morgen würde er bis Weihnachten wegfahren. Aber jetzt würden sie erst einmal Garnelencocktails essen, Bier trinken und sich später zwischen den kühlen frischen Laken von Merrins Bett aneinanderschmiegen. Ihre Eltern waren mit dem Zelt nach Winnipesaukee gefahren, weshalb sie das Haus für sich hatten. Bei dem Gedanken, was ihn nach dem Abendessen erwartete, bekam Ig einen trockenen Mund, und er bedauerte, dass sie erst noch etwas essen und trinken würden. Andererseits war er sich nur allzu bewusst, dass sie nichts überstürzen, dass sie sich Zeit lassen sollten.
    Schließlich gab es genug, worüber sie reden konnten. Sie machte sich Sorgen, und es bedurfte keines besonderen Scharfsinns, um den Grund zu erraten. Punkt drei viertel elf morgen Vormittag ging sein British-Airways-Flug. Er würde ein halbes Jahr auf der anderen Seite des Ozeans für Amnesty International arbeiten. So lange waren sie noch nie getrennt gewesen.

    Er merkte es immer sofort, wenn sie sich Sorgen machte. Dann ging sie auf Distanz. Strich Dinge glatt - Servietten, ihren Rock, seine Krawatte -, als könnte sie damit den Weg ebnen, auf dem sie beide zueinanderfinden sollten. Sie wusste plötzlich nicht mehr, wie man lachte, und sprach mit einer Ernsthaftigkeit, die fast schon komisch war. Wenn er sie so sah, musste er immer grinsen; sie wirkte dann wie ein kleines Mädchen, das in die Kleider seiner Mutter geschlüpft war. Er konnte ihre Ernsthaftigkeit nicht ernst nehmen.
    Es gab keinen vernünftigen Grund, weshalb sie sich Sorgen machen sollte. Allerdings wusste Ig auch, dass Vernunft bei diesen Dingen nur selten eine Rolle spielte. Denn schließlich hätte er die Stelle in London niemals angenommen, wenn sie ihm nicht dazu geraten, ja, fast dazu gedrängt hätte! Merrin wollte unbedingt, dass er sich diese Gelegenheit nicht entgehen ließ, hatte ihm immer wieder seine Vorbehalte ausgeredet. Hatte ihm erklärt, dass es nichts schadete, es sechs Monate lang auszuprobieren. Wenn er es furchtbar fand, konnte er

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