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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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in dieser verwanzten und verlausten Waldhütte Däumchen. Und wie mir diese Fläschchen und Phiolen zuwider sind, herrgottdonner, alles stößt mir auf. Die Warterei, die Zustände in Eurer Abtei, die Zustände im ganzen Land!»
    Der Abt merkte, wie das Abendbrot in seinem Magen schwer wurde und ihn leichte Übelkeit anfiel. Die Zustände in seiner Abtei – dieser Vorwurf war ihm nicht neu, er war ihm vertraut, er hatte ihn sich schon Dutzende Male selbst gemacht. Ihn sich aber in der Stille selbst zu machen oder in aller Lautstärke zu hören, das verhielt sich etwa so wie der vorgestellte Peitschenhieb zum echten brennenden Schlag mit der Neunschwänzigen.
    «Bin gleich wieder zurück!», flüsterte ihm Arno zu und verschwand.
    Der Abt nickte und sein Blick wanderte zu Ferdinands Hand, die den Weinbecher zitternd umschloss.
    «Wir stopfen Euren Pfaffen das Maul!»
    Heftig brauste der Prinz auf und rammte den Becher auf den Tisch.
    «Wir prügeln sie nach Italien, nach Spanien, nein, nach Russland, wo’s sumpfig und saukalt ist! So wird Eure verseuchte Abtei wieder gesund!»
    Der Abt klammerte sich an der Tischkante fest und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Musste er sich diesen Ton von einem pflichtvergessenen Erbprinzen bieten lassen?
    Und Säbelhiebe oder Knüppelschläge, war das alles, was der junge Mann zu empfehlen hatte?
    Er zögerte mit einer bissigen Antwort, verschrieb sich eine Fingerspitze Altersweisheit und schaute dem Prinzen ins Gesicht.
    Der hielt dem Blick kampflustig stand, sagte kein Wort und schien sich auf einen harschen Schlagabtausch einzustellen.
    Überall war es nun still, am Tisch wie auch auf der Wiese vor dem Waldhaus.
    Die einzigen Geräusche, die man hörte, waren das leise Flackern der Kerzenflamme und ein verlorenes Flattern irgendwo in den Tannen.
    Der Abt presste die Lippen zusammen und bemühte sich einer Stimme zu folgen, die ihm sagte, dass er da etwas übersah, etwas Entscheidendes, etwas von Tragweite, das diesen Hahnenkampf betraf.
    War am Ende das Motiv politischer?
    Oder gar staatsmännischer?
    Er merkte, dass mit der Antwort, die er sich gab, der Druck im Kopf abnahm und das Herz wieder in den alten Takt zurückfand.
    Der Eindruck täuschte nicht, da hatte sich im Stillen etwas vollzogen.
    Und darum durfte er sich nicht reizen lassen!
    Dieses Gepolter bot keinen Anlass dazu, es war im Grunde ein gutes Zeichen, ein Zeichen des Wandels!
    Hier saß ein anderes Großmaul als noch vor einem Jahr, ein Großmaul, das sich Gedanken darüber machte, was in den Köpfen anderer Menschen herumgeisterte, was sie aufkratzte und was sie in ihrem Tun und Lassen knechtete. Und das war nicht wenig, das war ein wichtiger Schritt, gewissermaßen eine Neugeburt, laut, heftig und schreierisch, wie man es sich von solchen Ereignissen gewöhnt war!
    «Im Wesentlichen pflichte ich Euch bei», sagte er mit einer Ruhe, die ihn selbst überraschte, «mir sind die Auswüchse auf den Kanzeln bekannt. Vielleicht versteht Ihr jetzt, warum ich damals so fuchsteufelswild wurde, als Lena begann, Menschen zu helfen. Heute überschütten sie Euch mit Lob, morgen führen sie Euch ab und stellen Euch als lebendige Fackeln auf den Scheiterhaufen. Das Waldlabor sollte Zuflucht vor ihnen sein, Zuflucht vor ihrer Unberechenbarkeit. Sie sind Kindern nicht unähnlich, mal überschwänglich, mal grausam und grenzenlos. Darum sind mir Bücher lieber als Menschen. Und darum bin ich wohl kein guter Herrscher.»
    Er schluckte und sah Ferdinand in die Augen.
    «Ich kenne aber einen Menschen, der ein guter Herrscher sein und der Land und Leute mit Umsicht und Weitblick regieren könnte. Einen Menschen, der an der Einsamkeit gereift ist.»
    «Was ratet Ihr mir?»
    «Die Kräfte sammeln, bedächtig sein und vor allem nichts überstürzen. Auch der Allmächtige kann uns nicht ewig auf die Folter spannen. Vielleicht morgen schon erreicht uns die Botschaft vom Tod Eures Vaters. Darauf bin ich vorbereitet, in meinem Schreibtisch liegen Briefe bereit, Nachrichten für wichtige Verbindungsleute, nach meiner Erfahrung verlässliche Hofräte. Wir müssen sie nur noch unterschreiben, Euer Siegel darauf drücken und den Boten geben. Wichtig ist, dass alles schnell geht, so dass sich allfällige Widersacher erst gar nicht zusammenrotten.»
    «Widersacher?»
    «Vergesst nicht, Ihr geltet als verschollen, am Hof seid Ihr so gut wie tot!»
    Wie ein Habicht packte Ferdinand den Becher und erneut drohte Holz gegen Holz zu

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