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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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folgen, stemmte die Hände in die Hüften und blieb so stehen.
    Was nun?
    Eine Weile nagte er an den Fingernägeln, dann bückte er sich, grub die in den Boden gestampften Überreste des Schwärmers aus und hob sie mit Zeigefinger und Daumen vor die Nase.
    Sollte er ihm verzeihen?
    Er presste die Lippen zusammen und nickte.
    Er würde es wieder versuchen.
    Schließlich ließen sich Ferdinand, Lena und Pater Clemens auch nicht unterkriegen. Nur wer zäh sei, so ihr Credo, wer Durchhaltewillen besitze, sei ein echter Alchimist und Forscher. Nie hatten sie darum den Bettel hingeschmissen, obschon ihnen der ausbleibende Erfolg allen Grund dazu gegeben hätte. Denn wie oft schon hatten sie mit glänzenden Augen einen Tiegel, eine Phiole oder einen Destillierkolben angeglotzt, sprachlos vor Erwartung, nur um dann die Gewissheit zu erhalten, dass wieder nichts aus ihrem Stein geworden war?
    Er ließ die schwarze Kartusche zu Boden fallen und reckte die Brust.
    Wäre doch gelacht, wenn ihm so schnell der Schnauf ausginge und es ihm nicht gelänge, einen strammen Schwärmer über die Wipfel hinauszuschießen.
    Sapperlot, wer war er denn!?
     

Kapitel 9
Pater Clemens
    Oktober anno domini 1584
    Zwei Monate später
     
     
    «Nicht so schnell, meine Knochen!»
    Seiner Stimme fehlte die Kraft, seiner Brust der Atem und seinem Kopf die Kühlung.
    Es war warm, unüblich warm an diesem Oktobertag, und unermüdlich wurde er von ungeduldigen Blicken angetrieben. Schneller kam er dadurch nicht voran, im Gegenteil, sein altes Herz mochte diese unausgesprochene Hetze nicht, wie ein abgerackertes Rösslein ruckelte er daher, immer wieder geriet er in Rückstand und drohten ihm die Beine wegzuknicken.
    «Nur nicht so gesprengt, warte!»
    Er hob vorsichtig den Fuß über eine vorspringende Wurzel, wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und nahm sich vor, sich zusammenzureißen.
    Oder sollte er ein Lied pfeifen?
    Seitdem sie im Waldhaus aufgebrochen waren, spukte der Text eines Liedes durch seinen Kopf – der Text eines Studentenliedes, in dem ein flinker Hirsch einen alten Ochsen zu einem Wettrennen herausforderte und ihn am Ende um seine hartverdiente Tagesportion Heu brachte.
    «Langsam, langsam!»
    Er rief es laut, kräfteverzehrend, obschon er sich davon nichts versprach. Denn er spürte, dass der Junge außer sich war, fast vor Ungeduld platzte und mit ihm wohl am liebsten ins Tobel zum Bach hinuntergerannt wäre, dorthin, wo der Boden Schwefel und Salpeter zu schlucken schien und man einen ganzen Sommer nichts anderes als Pulver mischen und Kartuschen stopfen konnte.
    Wieder fuhr ihm ein leichter Fehltritt wie ein glühender Nagel in die Knochen, und er fragte sich, ob er bei Trost gewesen sei, damals, vor einer Woche, als ihm das ominöse Na-gut-dann-Halt von der Zunge gerutscht war. Er hatte ihn damit gewiss nicht belohnen wollen, nicht nachdem sie in dieser Lateinstunde keine Vokabel übersetzt hatten. Und eigentlich wäre eine Strafe fällig gewesen, er hätte ihn zum Nachsitzen verknurren müssen und ihn erst gar nicht von einer Expedition ans Ende der Welt schwatzen lassen dürfen.
    Wo nur war seine Strenge geblieben?
    Er biss die Zähne zusammen und stieß mit dem Fuß einen Tannzapfen fort.
    Er kannte die Antwort.
    Er konnte nicht nein sagen und auch nicht streng sein, wenn jemand plötzlich wie ein Buch redete, einem Jahrmarktschnorrer gleich von Pulverkörnigkeit, Treibsatzmischungen und von Binde-und Bohrtechniken schwärmte und wie ein Glückskäfer zum Himmel hoch strahlte.
    «Du kommst gerade recht!»
    Hastig klammerte er sich an den Ästen eines Haselstrauchs fest und betrachtete den steil abfallenden Trampelpfad.
    Himmelherrgott, wie hatte er das verdient?
    Er schloss die Augen und befand, dass er jetzt einfach glauben musste, glauben an seine Knochen und Gelenke. Auch dieses kurze Stück war zu überwinden, den schlimmsten Teil hatte er ja bereits hinter sich.
    Er ließ die Äste los und setzte Schritt für Schritt den Abstieg fort, der sie in ein enges, felsiges Tobel zu einem rauschenden Bach hinunterbrachte.
    Wie nicht anders zu erwarten, gönnte ihm Arno auch auf diesem unwegsamen Boden keine Verschnaufpause. Aufgeregt führte er ihn über knorrige Wurzeln, durch widerspenstiges Unterholz und an dornigem Gewächs vorbei, um auf einmal still zu stehen und mit leuchtenden Augen auf ein kleines, von Farnen und von drei niederen Büschen getarntes Loch zu deuten.
    «Aha, dein Reich!»
    Der Abt rang

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