Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Metallsockel.
Viermal wurde das Haus auf diese Weise erschüttert, bis endlich Bruder Detlef durch den Flur stolperte und dem Polterer öffnete. Einige kurze raue Worte waren zu hören, dann das Ächzen der Stufen und wenig später ein nervöses Pochen an der Stubentüre.
«Euer Hochwürden», meldete sich Bruder Detlefs dünne Stimme, «es ist dringend, ein Bote!»
Die Türe flog auf, und ein Mann in ledernem Brustharnisch trat in die Stube. Unmittelbar atmete der Abt schwerer, sein Blick streifte den grimmigen und unfrohen Gesichtsausdruck und die Flecken auf dem Harnisch, und das wohlige Völlegefühl drohte in jähe Übelkeit umzukippen.
«Hier, aus Haldenburg!»
Mehr sagte der Bote nicht und hielt ihm einen Brief hin.
Mit wachsendem Unbehagen nahm ihn der Abt an sich und schaute auf den Schriftzug, den er sogleich als jenen von Bruder Michael erkannte.
«Gebt ihm seinen Lohn», wies er Bruder Detlef an, «und bewirtet ihn, wie es sich gehört!»
Einen dicken Kloß im Hals, blickte er auf das Schreiben, wartete, bis Bruder Detlef und der Bote die Stube verlassen hatten, und erbrach das Siegel.
Seine Befürchtungen bestätigten sich, als er die ersten Worte gelesen hatte.
Es war ein kurzer Brief, einige Sätze, mehr nicht, aber es waren Sätze, die seine Gedanken so durcheinanderbrachten, dass er, kaum war er bei der letzten Zeile angelangt, nochmals von vorne anfangen musste.
Dreimal nahm er sich den Text vor, das letzte Mal Wort für Wort.
«Ein Komplott, ein hinterhältiges Komplott!», flüsterte er und reichte das Schreiben Ferdinand, der es mit tiefen Falten auf der Stirn zu lesen begann.
Dem Abt war schwindlig, die Worte des Schreibens hallten in seinem Kopf, als wären sie ihm zugeschrien worden. Er hatte Fehler gemacht, dieser Erkenntnis konnte er sich nicht entziehen. Schwere Fehler, Fehler in der Erziehung und Fehler in der politischen Planung. Er hatte Rudolf als zaudernd, zaghaft, gefallsüchtig, musterknäbisch, ja als flatterhafte Windfahne eingestuft und nichts von ihm wissen wollen. Darum hatte er sich selten nach ihm erkundigt und wenig über ihn erfahren. Rudolf schlage seinem Vater nach, bete häufig und kriege davon fast wunde Knie, das war alles, was ihm Bruder Michael berichtet hatte. Und das war zu wenig, viel zu wenig! Denn Rudolf, das wurde in Bruder Michaels Brief nur zu deutlich, hatte nicht nur in der Hofkapelle gekauert und sich nicht nur religiösen Pflichten gewidmet – er hatte im Geheimen an der Falle für Ferdinand gearbeitet, an einem engmaschigen Netz, das er jetzt über sie auswarf.
Der Abt rieb sich mit den Handflächen die Schläfen und wie aus der Ferne, völlig verschwommen, wurde er gewahr, dass Ferdinand nach den Pistolen griff und zur Türe hetzte.
«Wo wollt Ihr hin?»
«Zum Waldhaus!»
Ferdinand verlor kein weiteres Wort. Die Türe krachte ins Schloss und fort war er.
Fassungslos hielt der Abt die Hände vor sein Gesicht.
Träumte er?
Die Hände zitterten und fühlten sich taub an.
Konnte er sie noch bewegen?
Mit Mühe tastete er nach dem Brief, den Ferdinand auf den Tisch hatte fallen lassen, und trotz seiner Benommenheit setzten sich plötzlich rasend schnell die Mosaiksteine eines bevorstehenden Verbrechens in seinem Kopf zusammen. Es war wohl für Rudolf seit langem kein Geheimnis mehr, dass sich Ferdinand in der Nähe des Klosters versteckte. Darauf zu kommen war nicht allzu schwierig. Er wusste um Ferdinands Verhältnis zu seinem ehemaligen Erzieher, er wusste von der Tochter des Wanderdoktors, und er wusste, warum Ferdinand mit dem alten Herzog gestritten hatte. Gedungene Spitzel hatten ihm gewiss bald einmal zugetragen, was sie vom Gerede über die schöne Heilerin in den Schenken und Gasthöfen aufgeschnappt hatten. Doch er hatte geschwiegen, hatte dem alten Herzog nichts verraten, schließlich lockte das Fürstentum, das er nun skrupellos mit einem sauber vorbereiteten Gewaltstreich an sich zu reißen gedachte. Und kein Geringerer als Dr. Möeden, dieser Hexenkommissar, sollte den Gewaltstreich ausführen.
Angestrengt starrte der Abt auf das Schreiben und fuhr mit zitterndem Zeigefinger den Zeilen der entscheidenden Stelle entlang.
Und er hat sogleich den Hexenkommissar Hugo Möeden in Eure Abtei geschickt, um bösem und teuflischem Treiben ein Ende zu setzen. Eine junge Hexe verabreicht armen Leuten mit der Macht des Bösen Säfte. Mit einem Landsknechthauptmann lebt sie hurenhaft in einer gottverlassenen Waldhütte. Ich beschwöre
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