Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
Vom Netzwerk:
hatte. Er, der Abt, wusste vom Brudermord, er würde die Schreckenstat aufdecken, er würde Rudolf gefährlich, ganz im Gegensatz zu den von ihm benachrichtigten Hofräten. Die kuschten, die hatten Leibrente und Familie und waren so harmlos wie Strohpuppen. Niemals raubten die Rudolf den Schlaf.
    Er schob den Vorhang zurück, sah hinaus und ließ die von Nebelschwaden umhüllten Hügel, Tannen und Obstbäume an sich vorbeiziehen.
    Nüchtern stellte er fest, dass ihm das grausliche Grau seines letzten Tages in Freiheit gleichgültig war. Nichts ging ihn jetzt noch etwas an. Seine Wurzeln griffen ins Leere, seit diesem Morgen, seitdem seine Brüder und er die Gewissheit davon hatten, was sich im Wald der Abtei am Vortag zugetragen hatte.
    «Flieht, um des Himmels Barmherzigkeit willen, flieht!»
    Bruder Lorenz’ Worte hallten in seinen Ohren, und er fragte sich, ob es richtig gewesen war, ihm von seinem Vorhaben zu erzählen. Er hatte es getan, weil er ihm seine Bitte um Beichte, seinen Entschluss, nach Kummerlingen zu fahren, hatte erklären müssen. Und auch, weil es seine Pflicht gewesen war, ihn über den Toten ins Bild zu setzen, für den es eine Messe zu lesen galt.
    Oder hätte er ihn gar anlügen, ihm die Aufregung ersparen sollen?
    Langsam lehnte er den Kopf gegen die Kutschenwand und starrte auf die Polsterbank gegenüber.
    Eine Weile hielt er dem Druck des unbesetzten Platzes stand, dann wurde ihm der Anblick zu viel und er nahm wieder Zuflucht zu den matten Wiesen, Sträuchern und vorbeiziehenden Leuten, die auf gespenstische Art flüchtig waren; denn ihre Züge blieben nicht in seinem Gedächtnis haften und er vergaß ihre Kleider, kaum waren sie seinem Sichtfeld entschwunden. Sie hätten auch Marionetten sein können, ihre Gestalten, so kam es ihm vor, standen nicht wirklich auf dem Boden, waren ohne Fleisch und Blut und geisterten ziellos in der Landschaft herum.
    Er wollte den Vorhang wieder vors Fenster schieben, da sah er zwei Menschen, die nicht so körperlos wirkten und die merkwürdige Macht besaßen, seinen Blick gefangen zu nehmen. Es waren Bauersleute, in geflickten Lumpen, vermutlich Vater und Sohn. Sie grüßten nicht, schauten mit steinernen Mienen voller grimmigen Trotzes zur Kutsche. Der Sohn hatte ungefähr das Alter von Arno, war gleich groß und ebenso kräftig.
    Der Abt schloss die Augen und merkte, dass seine Schläfen pochten.
    Was hatte er falsch gemacht?
    Kaum zugehört hatte ihm der Junge an diesem Morgen, auch nicht, als er ihm erklärt hatte, dass nicht die Feuerwerksgeschichte an der Tragödie schuld war, sondern Rudolf von Haldenburg, der den Überfall auf das Waldhaus von langer Hand vorbereitet hatte.
    Aus blutverkrustetem Gesicht hatte er ihn angeschaut, hilflos gestikuliert und fast nichts Vernünftiges über die Lippen gebracht. Nach fünf Minuten war die Unterhaltung vorbei gewesen und hatte die Türe gekracht. Nun war er wohl auf dem Weg nach Kummerlingen, barfuß, mit zerschlissenem Hemd und der schweren Wunde am Kopf.
    Schweiß trat dem Abt auf die Stirn.
    «Beruhig’ dich», murmelte er, «beruhig’ dich!»
    Er nahm sich vor, langsam zu atmen, und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
    Dem Jungen würde nichts geschehen! Schließlich hatte er starke und fürsorgliche Schutzengel, die ihn einen schweren Schlag gegen den Kopf überstehen lassen und ihn gar vor Verschleppung durch die Hexenjäger bewahren konnten.
    Auf die Hilfe dieser Engel durfte und musste er vertrauen, die wären auch ein zweites Mal zur Stelle!
    «Drecksack, himmeltrauriger du!», schrie es vom Kutscherbock.
    Der Abt sah einen Wandersmann zur Seite springen und die Faust heben.
    «Gott, sei uns gnädig!», brummte er.
    «Aaachtung!»
    Die Warnung erfolgte zu spät und der Stoß war so heftig, dass der Abt den Kopf anschlug.
    «Herrgottzack! Diese Scheißlöcher überall!»
    Wie aus der Pistole kamen die Flüche des Wagenlenkers geschossen.
    Die Pferde wieherten und eine Entschuldigung wurde nachgereicht: «Vergebt mir, Hochwürden!»
    «Schon gut!»
    Der Abt strich über den Kopf, wo sich eine leichte Schwellung bildete, sah zum Fenster hinaus und versuchte die Geschwindigkeit einzuschätzen.
    Fuhren sie schnell genug?
    So schnell, dass er beim nächsten Stoß herausfallen und sich das Genick brechen konnte?
    Er griff nach dem Knauf, hielt ihn gedreht und wartete auf den Ruck einer Bodenwelle, der sie öffnen würde.
    «Schon gut, schon gut!»
    Er schüttelte den Kopf und ließ den Knauf

Weitere Kostenlose Bücher