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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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wieder los.
    Warum auch?
    Was er vorhatte, war nicht minder halsbrecherisch.
    Geradeso gut könnte er durch einen Speerhagel rennen!
    Er drückte zweimal das Kreuz der Halskette gegen die Brust, tastete nach der Papierrolle und nahm sie in die Hand.
    Sie war seine einzige Waffe. Die Rede eines Volksaufhetzers. Damit würde ihm vielleicht gelingen, die Leute so aufzuwühlen, dass sie sich gegen Dr. Möeden stellten und das Gefängnis stürmten, in dem Lena festsaß.
    Ja, das würden sie, vielleicht.
    Oder ihn gerade in die nächste Zelle sperren!
    Ohne die Rolle zu öffnen, legte er sie wieder neben sich und seufzte.
    Wahnwitzig war der Plan!
    Verbündete um Hilfe zu bitten, wäre tausendmal klüger!
    Doch wo konnte er die auf die Schnelle finden?
    Sinnlos wäre es, sich an die Herren Stadträte zu wenden. Über die Missetaten eines Fürsten säßen die nie und nimmer zu Gericht. Und er wäre nicht nur sinnlos, der Gang zum Rathaus, er wäre auch noch gefährlich. Denn zuoberst auf der Liste der Malefikanten stünde wohl sein Name, dick eingerahmt. Er habe die Teufelsküche im Wald eingerichtet, er habe seine Seele dem Teufel verschrieben – einen solchen oder ähnlichen Stumpfsinn mochte Rudolf dem Hexenkommissar und den Stadträten eingeflüstert haben, schließlich hatte er den Machtstreich bis ins Detail geplant und mit aller Deutlichkeit bewiesen, dass er nichts dem Zufall überließ.
    Fahrig zupfte er über dem Sitz an einem losen Ende der Verkleidung und klopfte mit den Knöcheln gegen die Türe.
    Da gab es Versäumnisse in seinem Leben.
    Und eines der wichtigsten war wohl, dass er als Erzieher damals keinen Vorwand gefunden hatte, um den klugscheißenden Anpassling grün und blau zu knüppeln!
    Er hätte sich die Freiheit nehmen müssen, der Tatsache zum Trotz, dass das verflixte Liebkind nie etwas offenkundig Verwerfliches angestellt hatte und stets allen Autoritäten gefällig gewesen war!
    Auf einmal, ohne sein Dazutun, machte sich seine Hand selbständig, ballte sich zur Faust und sauste auf das samtene Polster nieder, so dass Staub aufwirbelte und sich für kurze Zeit eine Delle abzeichnete.
    Leicht verwundert betrachtete er die geschlagene Stelle und schüttelte den Kopf.
    «Sie ist nicht geeignet!», brummte er, «sie hinterlässt keine dauerhaften Spuren. Weder in der Erziehung noch sonstwo!»
    Er entschied, seinem überdrehten Schädel ein wenig Ruhe zu gönnen, zog den Vorhang zu und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück.
    Der Schlaf, den er fand, war unruhig. Immer wieder wachte er auf, wegen eines kurzen Traums, den er sogleich wieder vergaß, oder wegen eines tiefen, ausgeschwemmten Schlaglochs, denn sie wurde zusehends schlechter, die Straße, so dass auch das aufwändige Fahrwerk überfordert war und es ihn bald schüttelte wie auf einem Ochsengespann.
    Benommen ließ er sich hin-und herrütteln, drückte den Kopf gegen das Polster und versuchte immer wieder, in den Schlaf zu sinken.
    Irgendwann schrie er, weil man ihn hetzte und vorhatte, ihm Ferdinands blutige Kleider wegzunehmen.
    «Nein, die sind…!»
    Er blinzelte und sah die leere Bank gegenüber.
    «Herrgottzack!»
    Er sagte es nicht laut, aber laut genug, dass es der Kutscher hören konnte.
    Er strich sich über den Mund und rieb sich die Augen.
    Keine falschen Hemmungen jetzt!
    Heute durfte fluchen, wer fluchen wollte, heute liefen Sonne und Mond neben der Bahn und galten andere Regeln und Sitten!
    Mit einem Lappen tupfte er sich den kalten Schweiß von der Stirn, öffnete den Vorhang und schaute hinaus. Es war hell draußen, so hell, dass er sogleich die Hand vor die Stirn halten musste, um sich vor gleißenden Sonnenstrahlen zu schützen, die gerade die dicke Wolkendecke aufzubrechen begannen.
    Er nahm sich vor, wach zu bleiben, lehnte sich wieder zurück und lauschte den Straßen-und Pferdegeräuschen, dem Peitschenknall und den saftigen Flüchen, die der Kutscher Krämern und Bauern wegen ihrer langsamen, klapprigen Fuhrwerke an die Köpfe warf. In immer kürzeren Abständen knallte dabei die Peitsche, und in immer kürzeren Abständen versanken die Räder in der aufgeweichten Straße, so dass in der Kutsche kein ruhiges Sitzen mehr war und die Bauchsäfte tüchtig durcheinander gerieten. Bald wurden die Stöße so schlimm, dass er befürchtete, die Fahrt nach Kummerlingen ende in irgendeinem Schlammloch. Menschen zu Fuß fingen an zu überholen und spähten neugierig in die Kutsche. Landfahrer unterschieden sich dabei nicht

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