Teuflisch erwacht
hergeführt? Anna rieb sich das Blut vom Kinn. Sie verstand nicht einmal mehr Bahnhof. »Können wir bitte erst reden?«
»Reden? Mein toller Bruder wird wahrscheinlich jede Sekunde hier auftauchen. Er besitzt ein Hexentalent, schon vergessen? Eigentlich solltest du das wissen, denn ihr habt euch ja angefreundet.« Seine Stimme vibrierte.
Die Erkenntnis schwang ihren Hammer vor Annas Stirn. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. »Du bist eifersüchtig«, stellte sie fest.
Sebastian schnaubte. »Nein, ich bin absolut enttäuscht.«
Plötzlich wurde ihr warm ums Herz. Er war eifersüchtig, aber konnte das Gefühl wohl nicht beschreiben. In seiner Vergangenheit existierten solche Emotionen nicht. Anna biss auf ihre Lippe, um nicht aufzulachen. Sie würde vorsichtig vorgehen müssen. Langsam näherte sie sich ihm und nahm seine Hand. In seiner Nähe war es unbeschreiblich leicht, Angst und Schrecken wie eine zweite Haut von sich zu streifen. Die vergangenen Stunden verblassten im Antlitz seiner Schönheit. »Ich hab dich vermisst und ehrlich nicht daran geglaubt, dass wir unseren Kopf noch mal aus der Schlinge ziehen.« Sie lehnte sich an seine starke Brust.
»Kannst du das mal lassen? Ich versuche, wütend auf dich zu sein.« Seine Stimme verlor an Kälte.
»Ich hab das schon viel zu lang gelassen.« Sie schmiegte sich fester an ihn.
Er zögerte, aber fuhr ihr dann doch übers Haar.
»Ich hatte so große Angst um dich. Bitte geh nie wieder weg«, flüsterte sie erstickt. Heimlich stiegen nun doch Tränen auf.
»Wir müssen wirklich weiter. Es ist hier nicht sicher. Eigentlich sollten hier zwei Hexen warten, aber entweder haben sich Cynthia und Patrick aus dem Staub gemacht, was ich nicht glaube, oder ihnen ist etwas zugestoßen.«
Der Name der Frau klingelte eine Erinnerung wach. Anna löste sich von ihm und rieb sich die Schläfe. »Cynthia? Brünett, etwas älter als ich und etwa so groß?« Sie hob die Hand bis zum Kinn.
Sebastian nickte. »Du kennst sie? Hat Josh …?«
»Sie ist tot. Aber es war nicht Joshs Schuld.«
Sebastian setzte sich aufs Bett und vergrub das Gesicht zwischen den Händen. Einen Moment saß er einfach bloß da. »Wie?«, fragte er schließlich.
»Das ist eine so lange Geschichte.« Sie schwang sich neben ihn. »Marla führte uns zu einem Voodoopriester und wir haben etwas wirklich Schlimmes getan.«
»Das hab ich mir schon gedacht.«
Die Enge in ihrer Brust legte sich auf ihre Stimmbänder und sie schluckte mehrmals, bevor sie weitersprechen konnte. »Ich bin einen Deal mit der Loa eingegangen, habe ihr mein Leben versprochen, wenn sie mir im Vorfeld die Macht gibt, den Boten zu beschwören. An die Pergamente gibt’s einfach kein Herankommen. Aber bevor ich das tun konnte, tauchte Josh plötzlich auf.«
Sebastian stöhnte. »Du hast ihr dein Leben versprochen? Bist du wahnsinnig? Wir werden einen Weg finden, den Deal rückgängig zu machen.«
Anna zuckte die Schultern. Sie wusste nicht mehr, was sie geritten hatte. Es war ein großer Fehler gewesen, aber bloß, weil es anders gekommen war wie erhofft. Und rückgängig machen brauchten sie auch nichts mehr. »Josh hatte Cynthia im Schlepptau und platzte mitten in die Erklärung des Voodoopriesters, wie ich das Ritual durchzuführen habe. Er hat den Mann getötet und die Loa sah das überhaupt nicht gern.«
»Die Loa war da?« Sebastians Gesicht verlor an Farbe, seine Pupillen weiteten sich.
»Ja, das war sie.« Sie schüttelte sich vor der kalten Erinnerung. »Josh hat mein Leben gerettet, er hat gegen sie gekämpft und gewonnen.«
Sebastian sprang auf die Füße und funkelte sie an. Ihr wich das Blut aus den Gliedern. Wie schnell seine Stimmung doch kippen konnte. »Na das ist ja mal wieder typisch.«
Sie senkte den Kopf. »Er hat mein Leben gerettet.«
»Nein, das hat er ganz und gar nicht. Er hat dich für seine Zwecke manipuliert. Du wurdest gejosht.« Fassungslos schüttelte er den Kopf und trat gegen den Mülleimer, dass er durchs Zimmer schoss.
Wie gut, dass sie ihm nicht verraten hatte, dass Josh ihr wohl auch sein Leben verdankte. »Sebastian, ich glaube wirklich, dass wir uns keine Gedanken machen müssen, dass er hier auftaucht. Er wird uns nichts tun.«
Er fuhr herum, kniete sich vor sie und packte ihre Handgelenke. Sanft schüttelte er sie. »Es ist das, was wir tun, Anna. Wir schleichen uns in das Vertrauen von Menschen. Mein Bruder weiß ganz genau, wie weit er gehen muss, um dich auf seine Seite zu
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