Teuflisch erwacht
ziehen. Aber sobald er dich da hat, wo er will, stößt er dir von hinten ein Messer in den Rücken. Er wollte, dass du Kira zurückholst, und nun bist du ihm nicht mehr von Nutzen. Er wird außer sich sein, weil wir entkommen sind. In diesem Moment ist er gefährlicher denn je.«
Sebastian klang so verzweifelt. War es wirklich, wie er sagte? Würde Josh es nun auf sie absehen? Sie versuchte, darüber nachzudenken und seinen Worten Überzeugung zu geben, aber sie schaffte es einfach nicht. Sie konnte sich doch verdammt noch mal nicht dermaßen getäuscht haben. »Jedenfalls traf Cynthia ein Fluch. Er sollte wohl eigentlich die Loa töten. Es war keine Absicht«, sagte sie schnell, um ein anderes Thema aufzugreifen und die Geschichte hinter sich zu bringen.
»Keine Absicht? Ach, dann sind die anderen knapp vierhundert Menschen, deren Blut inzwischen an seinen Fingern klebt, wohl auch keine Absicht gewesen? Ich hätte nie gedacht, dass du auf sein Spiel reinfällst. Ich habe wirklich gehofft, du wärst immun gegen die Pest, die er verbreitet. Aber offensichtlich hab ich mich da schwer vertan. Willkommen, in der Vitrine seiner Herzenssammlung.« Er erhob sich und Anna folgte seinem Blick zum Fenster hinaus. Der Abend brach herein und die ersten Schatten krochen aus ihren Verstecken.
Sie schluckte schwer. Sie hatten noch nie gestritten, doch diesmal kam es einem Streit verdächtig nahe. Hatte Josh einen Keil zwischen sie getrieben? Aber das war total absurd, denn es passte kein Blatt Papier zwischen sie und Sebastian. »Ich musste Marla zurücklassen. Ich bin mit Josh gefahren, denn er sagte, dass deine Familie dich festhält. Ich konnte sie nicht mitnehmen. Sebastian, sie lähmt ein Fluch und sie liegt wahrscheinlich noch regungslos inmitten von Leichen.« Es gab wirklich Wichtigeres, als die sinnlose Diskussion. So gern sie den Kopf in den Sand gesteckt hätte, es ging nicht.
Sebastian seufzte. Süße Traurigkeit tanzte über sein Gesicht und er verspannte die Züge. Er maß sie mit einem endlos langen Blick, bevor er vorsichtig den Kopf schüttelte. »Der Beirat hat Marla. Sie kamen zu den del Rossis und überbrachten die Nachricht. Das altbekannte Spiel. Sie schickten allerdings einen Haufen Idioten. Ich habe die Gunst der Stunde genutzt und bin mit dir abgehauen, als sie begannen, sich zu bekämpfen.«
Anna atmete Glassplitter ein. Sie hatte Marla im Stich gelassen, sie schutzlos zurückgelassen und nun bewahrheiteten sich ihre schlimmsten Befürchtungen. Was war sie bloß für eine grottenschlechte Freundin? »Wir müssen ihr helfen. Das müssen wir zu allererst.« Tränen schossen in ihre Augen. Sie hatte so lange Zeit nicht geweint.
»Ja, das müssen wir. Aber nicht planlos. Und wie gesagt, zuerst sollten wir von hier verschwinden. Am besten verlassen wir Neapel sofort.«
»Er wird nicht herkommen. Wir überlegen in Ruhe, wie wir es anstellen, und dann machen wir uns morgen früh auf die Socken.« Anna fühlte sich kraftlos. Der Voodoozauber zerrte an ihrer Energie und außerdem hatte sie die Nase voll von übereilten Aktionen. Sie würden nach London fahren und Marla retten, aber nicht ohne brillante Idee. Darauf warteten die Engländer doch nur.
»Er wird nicht herkommen? Sei doch nicht so ein Dummkopf«, donnerte Sebastian los. Seine Augen blitzten auf, als ob ihre Worte ein Feuerwerk entfacht hätten. »Dann hat er wohl auch nicht das Kommando gegeben, deinen Freund Kevin abzuschlachten?«
Er stieß sie vor den Kopf. Das Gesagte brannte in ihrem Herzen. Kevin war mit nach Neapel gekommen und nun war er tot? Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie schwindelte. Sie krallte sich in den Bettbezug, um nicht zu platzen. »Kevin ist tot?«
»Ja, mausetot. Frag deinen Freund Josh. Er hat Luca auf ihn gehetzt.«
Wie konnte er nur dermaßen gemein sein? Eine solche Botschaft überbrachte man doch nicht in solch einem Tonfall, wenn man den Menschen liebte, der vor einem saß? Joshs Worte kreuzten ihren Verstand. Sie kannte Sebastian nicht wirklich, liebte bloß seine Depression. Bittere Galle trat auf ihre Zunge. Hatte Kevins Mörder recht mit der Aussage? Sie waren alle kaltherzig. Anna schluchzte haltlos. Ein Gewitter entlud sich über ihr, als ihr bewusst wurde, dass alles noch viel schlimmer war, als sie jemals zu glauben gewagt hatte. Kevin tot, Marla gefangen. Ihr Leben lag in Schutt und Asche. Sie würde keine Sekunde länger stark sein.
Sebastian setzte sich zurück aufs Bett und streckte die Hand
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