Teuflisch erwacht
Typ ist doch deine Kragenweite.«
Luca gab seine zischende Zustimmung.
»Stopp«, sagte Sebastian. Sie kamen mit einer Nachricht? Ihn beschlich ein grausamer Verdacht. Warum hatte er sich zuvor keine Sorgen um Marla gemacht? Wo war sie? Seine Angst um Anna hatte jegliche Fragen in den Hintergrund gedrängt, doch schlagartig erwachten sie aus ihrem Winterschlaf. »Was wollt ihr von ihr?«
Ein hagerer Mann riss sich mutig aus Jonathans Griff und trat vor. »Sebastian Fingerless?«, fragte er.
Sebastian nickte. Etwas stimmte nicht mit dem Kerl. »Du bist unseres Blutes«, entfuhr es ihm ungläubig. Der Beirat kam persönlich und schellte? Es wurde immer absurder. Hatten sie ihre neuen Mitglieder nicht aufgeklärt oder wollten sie sich des Mannes entledigen? Zuzutrauen war den hirnlosen Vollidioten letztendlich alles.
»Mein Name ist Walter Goldsmith und ich bin Mitglied des RFBM. Lassen Sie den Jungen los.« Er nickte zu Kevin hinüber. »Wir überbringen nur eine Nachricht. Wir haben Marla Cole in unserer Gewalt. Anna Graf möge persönlich nach London kommen, um über ihre Freilassung zu verhandeln. Von Ihnen und Ihrer Familie möchten wir gar nichts.« Er klang beschwichtigend.
Jonathan prustete los und die anderen stimmten ein. »Ihr kommt in die Höhle hungriger Löwen und erwartet, nicht gefressen zu werden?« Seine Augen füllten sich mit Lachtränen.
Der dritte Mann schaute ihn irritiert an.
Sebastians Eingeweide zogen sich kalt zusammen. Die Engländer hatten also Marla, und Anna und er saßen ebenfalls in der Falle. Wer würde nun noch seiner Familie die Stirn bieten? Diese Ochsen, die vor ihm standen und versuchten, Frieden zu bekunden, würden es sicherlich nicht wagen.
»Luca, erledige die halbe Portion.« Josh schubste den regungslosen Kevin vor Lucas Füße.
Sebastian konnte ihn nicht retten. So gern er es Anna zuliebe getan hätte, blieben ihm die Hände gebunden. Er hatte sich sein eigenes Grab geschaufelt und ehrlich gesagt wunderte es ihn, dass er überhaupt noch lebte. Immerhin brauchte Anna seinen Tod nicht mit anzusehen.
Walter Goldsmith weitete die Augen, als Luca ohne mit der Wimper zu zucken auf Kevin zusprang und ihm mit geschulter Leichtigkeit das Genick brach.
Das hässliche Knacken gab den Startschuss. Walter gab einen Fluch ab und auch der dritte Mann, dem es wohl die Sprache verschlagen hatte, riss sich aus seiner Starre. Er wand sich aus Jonathans Händen, indem er den Magier kurzerhand aufs Kreuz legte, und verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde in einen rabenschwarzen Panther. Die dunkle Raubkatze bäumte sich auf, fauchte und stürzte sich auf seinen Vater.
Es dauerte bloß einen Atemzug, bis Sebastians Hirn die Bilder verarbeitet hatte. Der Mann musste ein Metamorphosetalent besitzen. Ein Gestaltwandler.
Flüche zuckten durchs Zimmer und die große Katze flog gegen die Wand, als Jonathan sich von der Überraschung erholt hatte.
Plötzlich ging Sebastian ein Licht auf. Er erkannte die winzige Chance. Während die Magier auf die Angreifer losgingen, schmiss er sich Hals über Kopf vor das Sofa, auf dem Anna schlief. Sie öffnete verwirrt die Augen. Gott sei Dank, sie war wieder bei Bewusstsein und das augenscheinlich unversehrt. Wie Balsam legte sich die Tatsache um sein splittriges Herz.
»Was …?«, flüsterte sie und versuchte, sich aufzurichten.
Er drückte sie zurück in die Polster, schüttelte den Kopf und zog sie unvermittelt von der Couch über seine Schulter. Er erhob sich blitzartig. »Schließ die Augen.«
Sie brauchte den toten Kevin nicht anzusehen. Aus den Augenwinkeln nahm Sebastian wahr, dass sich die Engländer echt gut schlugen, aber er verlor keine weitere Zeit. Mit einem Sprung, für den er all seine Kraft in die Beine schickte, stieß er sich von der Sofalehne ab und schwang sich durch das geschlossene Fenster. Die Scheibe zerbarst in Splitter und Scherben, doch er ignorierte den Schmerz, als sich Teile davon in sein Fleisch gruben. Flink wie ein Wiesel rannte er die Einfahrt hinunter.
Ein Fluch verfehlte sie und eine der Zypressen ging in Flammen auf. Sebastian legte noch einen Zahn zu, rief die Dunkelheit zu Hilfe. Ungeschickt stolperte er um die Ecke, taumelte und sprintete weiter. Bloß nicht zurück schauen. Er würde rennen, wenn nötig bis ans Ende der Welt und so weit ihn seine Sohlen trugen. Anna trommelte auf seinen Rücken. Sie wog quasi nichts und ihre Beckenknochen stachen in seine Schulter. Zur Hölle, wann war sie dermaßen
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