Teuflisch erwacht
Sie hatte die Augen geschlossen und schien in eine Art Trance gefallen zu sein. Der Spiegel lag zerbrochen vor ihren Füßen. Alles in ihm schrie danach, zu ihr zu springen, sie zu schütteln und in seine Arme zu schließen. Es hatte ihn rasend gemacht, dass sie Josh vertraute, aber wie konnte er diesem unschuldigen Wesen lang böse sein? Sein Vater saß ihm nicht nur sprichwörtlich im Nacken. Er stand direkt hinter ihm und die kleinste Bewegung in ihre Richtung bedeutete das sichere Aus. Was sollte er bloß tun?
»Meint ihr, sie packt es?«, fragte Josh.
Hoffentlich schaffte sie es nicht. Wie konnte sie bloß so naiv sein und Kira zum Leben erwecken? Wusste sie nicht, dass es den Tod zahlreicher Menschen bedeutete und Kira seine Familie um ein Vielfaches stärker machte? Doch sie wusste es. Es hatte sie beinahe umgebracht, den Fingerless diese Wunde zuzufügen, und nun nähte sie die Verletzung einfach wieder zusammen? O Anna …
Die laute Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken. Sebastian hielt kurz die Luft an. Wer schellte schon bei den del Rossis und dann auch noch zu einem solch ungünstigen Zeitpunkt?
Antonio warf Jonathan einen Blick zu.
»Willst du nicht öffnen?«, fragte sein Vater.
»Eigentlich wollte ich das hier nicht verpassen.« Antonio deutete mit dem Kopf auf die schlafende Anna.
»Dann werde ich mal so freundlich sein. Mein sechster Sinn sagt mir, dass es interessanter Besuch ist. Thea, gib auf deinen größenwahnsinnigen Sohn Acht.«
»Ich schnappe Gedankenfetzen auf. Es ist interessanter Besuch.« Josh nahm Anna von seiner Schulter und legte sie lang auf das Polster. Er erhob sich. »Lust auf ein kleines Duell? Heißen wir unsere englischen Gäste willkommen.«
»Der Beirat?« Jonathan stöhnte entgeistert und weitete die Augen.
»Jipp«, ließ Josh von sich hören und deutete ihrem Vater, ihm zu folgen.
»Behalte Sebastian im Auge. Ich denke, die Gelegenheit sollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen«, wies er Thea an.
»Ich komme auch mit. Luca?«
Antonio wollte sie schon zur Tür begleiten, aber Jonathan winkte ab.
»Pass lieber mit auf meinen missratenen Sohn auf. Wir werden die Gäste hereinbitten.« Mit einem Zwinkern verließ er den Salon und eilte Josh hinterher.
Sebastian spannte an. Wenn sein Vater den Beirat hineinließ, hatte Anna ihm in ihrem Zustand nichts entgegenzusetzen. Sie stand, wie alle anderen in diesem Raum, auf der Abschussliste der Engländer. Wenn sie es schaffen sollten, einen von ihnen zu verwunden, dann gewiss das schwächste Glied in der Kette. Sie. »Gia und Luca, schützt sie.«
»Wie bitte? Erst dein Bruder und jetzt gibst du hier den Ton an?« Gia hob die Augenbrauen und verzog das Gesicht.
»Der Beirat will ihren Tod. Ob du es glaubst oder nicht, die Engländer haben mehr Feinde, als ihnen lieb ist. Willst du, dass sie Anna erwischen, bevor sie Kira vor dem endgültigen Tod retten kann?«
Gia besah ihn mit einem Blick, der vernichtend wirkte, aber sie winkte Luca zu sich heran.
Antonio trat näher an die Couch. »Bleib vor ihr stehen.«
Schritte mehrerer Personen näherten sich über den Flur. Sebastian ignorierte die Aufsicht seiner Mutter und wandte sich der Tür zu. Sie hielt ihn nicht davon ab und blinzelte nervös zum Ende des Raums. Wer kam? Etwa Eltringham?
Die Tür flog auf und Josh schubste Kevin ins Zimmer. Er stolperte vorwärts und fing in letzter Sekunde einen Sturz ab. Jonathan folgte, rechts und links einen fremden Mann am Handgelenk gepackt und trat mit belustigtem Gesichtsausdruck hinter sich die Tür zu. Antonio schickte aus sicherem Abstand einen Fluch los, um sie magisch zu verriegeln.
Als hätten sie ein Leben lang Seite an Seite gekämpft, verstanden sich die Fingerless und die del Rossis blind. Konnte ihm bitte endlich jemand in den Kopf schießen? Warum hatte er geglaubt, bei den Italienern etwas Menschliches, oder gar Liebe zu finden?
»Stellt euch vor, sie kommen tatsächlich in Freundschaft. Sie möchten bloß Anna eine Nachricht zukommen lassen.« Jonathan brach das große Schweigen und grinste in die Runde.
Wie dumm war der RFBM eigentlich? Er schickte seine Lakaien, um bei den del Rossis zu klingeln? Sebastian schüttelte fassungslos den Kopf.
»Wie ihr seht, ist Anna derzeit verhindert«, sagte Gia und streichelte Anna übers Gesicht.
»Was habt ihr mit ihr gemacht?« Kevin hatte sich wohl wiedergefunden und wollte sich auf sie stürzen, doch Josh lähmte ihn in der ersten Bewegung.
»Luca, der
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