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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Reiz, war alltäglich geworden. Wir sehnten uns nach neuen Kräften, anderen Gaben und dem ganz großen Nervenkitzel. Aber wo sollten wir ein neues Talent hernehmen? Es gab niemanden, der uns eine weitere Gabe vererben konnte, also schien es ein unerfüllter Wunsch zu bleiben.«
    Anna ahnte, dass es kein unerfüllter Wunsch geblieben war.
    »Was ist passiert?«
    Marla verkrampfte, ihre Augen verloren den üblichen Glanz. Sie setzte mehrmals zu einer Antwort an. »Wir waren jung«, sagte sie entschuldigend, nach dem mehrfachen Versuch, einen Ton hinaus zu bekommen.
    Was konnte so schlimm sein, dass es ihr die Sprache verschlug? Eiskörner hagelten Annas Rücken hinab. »Erzähl es einfach. Ich verurteile dich nicht.« Sie hoffte zumindest, das Versprechen einhalten zu können.
    »Eines Abends«, fuhr Marla so leise fort, dass man es als Flüstern bezeichnen konnte, »schwebte Heather leichtfüßig in mein Zimmer des Studentenwohnheims. Sie hatte dieses Lächeln auf den Lippen, von dem ich heute weiß, dass es nichts Gutes bedeutet. Schon damals zauberte es mir eine Gänsehaut über den Körper. Doch die Neugier siegte über meinen Verstand. Ich ignorierte das falsche, unnatürliche Grinsen und fragte ihr stattdessen Löcher in den Bauch. Heather erzählte von unvorstellbarer Macht. Sie hatte einen Mann gefunden, der unsere kühnsten Träume wahr werden lassen konnte.«
    Die Atmosphäre im Wagen prickelte. Jedes Härchen an Annas Arm richtete sich auf. Besaß Marla ein weiteres Talent? Warum hatte sie es verschwiegen, und von wem hatte sie es erhalten?
    Marla befeuchtete die Lippen. »Der Drang, neue Kräfte zu besitzen, überspielte meine flatternden Nerven. So folgte ich meiner Freundin am nächsten Abend an einen Ort, welcher der Hölle verdächtig nahekam. Der Hinterhof war schmutzig, überhäuft von Unrat, und es lag ein ekelhafter Gestank in der Luft.« Sie schluckte, als stiege bei der Erinnerung Übelkeit die Kehle hinauf. »Die verblassten Namenschilder neben den Klingeln gaben nicht preis, wer in dem alten Gebäude lebte. Ein Name stach mir sofort ins Auge. Bis heute weiß ich nicht, ob es sich dabei um seinen Vor- oder Nachnamen handelt. Salim.« Sie hatte den Namen mit Abscheu ausgesprochen und verstummte jäh. Marlas Gesicht hatte jedwede Farbe verloren. Sie sah aus wie ein Gespenst.
    Anna gönnte ihr die Pause und ordnete ihre wilden Gedanken. Marla war also nicht immer die gutherzige, mütterliche Frau mit den sensiblen Sinnen gewesen. Hatte sie das erwartet? Sie hatte nie darüber nachgedacht. Ein leicht säuerlicher Geschmack breitete sich im Mund aus und ein leises Empfinden warf einen Schatten auf ihr Herz. Begann so für gewöhnlich die Zeit, nachdem man ein Talent vererbt bekam? Testeten die Neubegabten ihre Fähigkeiten spielerisch, gaben sich dem Spaß hin und erforschten ihr Können? Sie durfte sich den Luxus nicht erlauben. Ein unfaires Schicksal. Was wollte Marla mit ihrer Geschichte bezwecken? Sie wollte ihr bestimmt nicht vor die Nase halten, dass sie die berühmte A–Karte gezogen hatte. Gab es jemanden, der ihnen weitere Talente beschaffen konnte? Jemand, der ihnen half, in das Hauptquartier des Beirates einzudringen? Anna schüttelte den Kopf. Sie gab es auf, sich mit Spekulationen das Hirn zu zermalmen. Marla würde die Geschichte sicherlich noch beenden. Sie wandte sich ab und blickte erneut zum Fenster hinaus. Nur noch vereinzelt tanzten Schneeflocken vom Himmel, aber eine dicke Eisschicht überzog die Leitplanke. Der Schnee wirkte versteinert und funkelte, als wäre er mit Diamanten bespickt. Sie schielte zu Marla, die keine Anstalten machte, weiterzusprechen. »Wer war der Mann?«, fragte sie schließlich.
    »Salim war ein Voodoopriester.« Die Antwort schoss aus Marla heraus, als befürchtete sie, dass das Wort die Zunge vergiftete.
    Voodoo. Anna kannte das Wort aus unzähligen Filmen und verband es mit etwas Schlechtem. Sie witterte die Gefahr. »Was ist Voodoo?« Sie hatte es nie hinterfragt. Wozu auch? Normale Menschen setzten sich wohl kaum mit dem Thema auseinander.
    »Voodoo war eine Religion. Die Anhänger beteten zu verschiedenen Göttern und beschenkten sie mit Opfern. Die Loa, ein Geisterwesen, das zwischen den Dimensionen wandelt, überbrachte den Göttern die Gebete und Gaben, bescherte die Menschen dafür mit Gesundheit und Erfolg. Doch es kam der Tag, an dem sich das Blatt wendete.«
    »Was meinst du, mit wendete?«
    Marla fuhr sich an die Kehle und öffnete die

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