Teuflisch erwacht
Sie musste den italienischen Magiern ins Gesicht blicken und dazu stehen, dass sie ihre Tochter getötet hatte? Ihre Glieder wurden weich und sie war froh, dass sie saß.
»Wenn du lange genug überlebst, dass wir uns erklären können, brauchst du dir keine Sorgen machen. Sie werden allem zustimmen, wenn Kira dafür das Leben geschenkt bekommt.«
Wenn sie lang genug überlebte. Die Betonung lag auf dem ersten Wort. Wahrscheinlich würden sich sämtliche Magier auf sie stürzen, sobald Josh den Wagen parkte.
»Du glaubst, ich hätte nicht die Kraft dazu, sie davon abzuhalten? Die del Rossis sind stark, aber sie haben nicht die Macht, sich mir in den Weg zu stellen.«
Er sprach die Wahrheit. Er gehörte zu den mächtigsten Kreaturen auf diesem Planeten. Josh Fingerless ließ sich nicht aufhalten, ganz egal, wer oder was ihm in die Quere kam. Mit einer Ausnahme …
»Ja, mein Vater wird die größte Gefahr darstellen. Aber er hat nicht vor, dich auf der Stelle zu töten. Er will, dass Sebastian es tut und sich endgültig vom Fluch der Liebe heilt.«
Sie keuchte. »Er verlangt von ihm, mich zu töten?«
Wie konnte ein Vater so etwas von seinem eigenen Fleisch und Blut verlangen? Jonathan Fingerless war das mieseste Schwein, das auf Gottes Erdboden wandelte. Was dachte er sich dabei?
»Er gibt einen Dreck auf Gefühle.«
»Aber du tust das nicht.« Es war eine Feststellung. Endlich ergab alles einen Sinn. Josh liebte Kira. Sie sah so klar, als hätte ihr jemand eine verdreckte Brille von der Nase gezogen. Warum sonst sollte er so dafür kämpfen, dass sie die Magierin zum Leben erweckte? Kira war stark und sie konnten sie sicher gebrauchen. Aber war es das wert, dass sie Sebastian verloren und Anna vielleicht laufen ließen? Ja, Josh war es das wert, denn er hegte Gefühle für das eiskalte Biest.
Josh fuhr zusammen. »Du kannst das, was wir empfinden, nicht mit Liebe vergleichen.«
»Und wer hat dir den Schwachsinn eingeredet?«
Liebe war nicht das, was man sagte oder dachte, oder als was man es bezeichnete. Es war schlichtweg das, was man tat und fühlte. Das galt für Magier genauso wie für jedes andere Wesen auf dieser Welt. Ganz egal, wie oft er noch versuchte, sich vom Gegenteil zu überzeugen, es lag so klar auf der Hand, wie ein frisch poliertes Glas.
»Du tust es schon wieder. Du vergleichst mich mit Sebastian.«
Anna lachte. »Nein, ganz bestimmt nicht. Und das ist auch gar nicht nötig. Du besitzt ein Herz, Josh. Wahrscheinlich tut das jeder von euch. Irgendwie fühl ich mich jetzt besser.«
Er schwieg und beschleunigte das Tempo. Sie fuhren die Küste entlang. Unruhig schlug die See gegen die Klippen. Die sanften Strahlen der zögerlichen Sonne vermochten es nicht, zu beruhigen.
»Weiß Sebastian, dass du Gefühle für seine Verlobte hast?«
Hatte er sich deshalb für sie und gegen Kira entschieden? Ein seichter Nadelstich fuhr in ihr Herz. War sie zweite Wahl, weil Kira Josh ebenfalls gernhatte?
»Er weiß es, aber erst seit Kurzem.«
Hoppla, er machte sich also nicht mehr die Mühe, es abzustreiten.
»Wart ihr heimlich zusammen?«
»Kira besitzt man nicht. Sie gehört niemandem. Mir nicht und Sebastian schon gar nicht. Er hat es sich Ewigkeiten eingeredet, aber das brachte sie nur dazu, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Indem sie sich dir an den Hals warf?« Anna schluckte gegen die aufkeimende Übelkeit an. Wie ekelhaft konnte ein Lebewesen sein? Und wie dämlich war Josh? Er liebte eine Frau, von der er wusste, dass sie sich ihm bloß hingab, um seinen Bruder vor den Kopf zu stoßen?
»Du weißt, wie es ist, wenn man sich nicht dagegen wehren kann.« Er klang erstickt. Der große Josh Fingerless wirkte plötzlich wie ein gebrochener Zwerg.
Das Gehirn eines jeden arbeitet unaufhörlich bis zu dem Moment, indem er sich verliebt. Eines der Grundgesetze dieser Welt.
Sie berührte seinen Arm. »Es tut mir leid«, sagte sie leise. Es kam von Herzen. Absurderweise tat er ihr leid. Sie wusste, wie es sich anfühlte, die Seele zu verschenken, obwohl es absolut falsch war. Mit Sebastian erging es ihr ähnlich. Magier und Menschen gehörten nicht zusammen und eigentlich durfte sie ihm seine Vergangenheit nicht verzeihen. Aber sie sah darüber hinweg, durch eine rosarote Brille und war absolut machtlos, dagegen anzukämpfen. Sie war ihm verfallen, vom ersten Augenblick an. Und wenn er noch einen Haufen Menschen tötete, noch ein paar Leute verfluchte, und selbst wenn er seine
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