Teuflisch erwacht
Kapitel
Wertlos
A uf trübe Tage folgte Sonnenschein. Aldwyn glaubte stets daran, dass sich der Regen bloß über sie ergoss, um ihren Geist zu erfrischen und er am Ende einen bunten Bogen zurücklassen würde. Wer Frieden mit der eigenen Seele hielt, der lebte in Frieden mit Gott und eine von gerechtem Zorn beseelte Armee würde unweigerlich den Sieg davontragen.
Sie hatten die Hexe. Marla Cole war Gold wert. Warum Anna sie verflucht in der Wohnung des Voodoopriesters zurückgelassen hatte, erschloss sich ihm noch nicht. Aber es spielte keine Rolle, denn das Miststück würde schon anfangen zu reden, wenn sie sie erst in den Schwitzkasten nahmen.
Er saß im Konferenzraum des Jagdschlosses und grübelte. Vielleicht sollte er Rebecca eine Gehaltserhöhung anbieten? Sie hatte einen wirklich wertvollen Fang gemacht, auch wenn sie nicht wusste, dass sie die Hexe auslieferte und nicht rettete. Seine Späher brauchten nicht alles zu wissen. Aldwyn rieb sich die Hände. Es fiel ihm schwer, sie stillzuhalten. Ihm war danach, ein Rad oder ein Salto zu schlagen, aber natürlich brachten das seine alten Knochen nicht mehr zustande.
Marla Cole saß bereits im Flieger nach London. Er hatte ihr acht Späher aus dem engeren, vertrauteren Kreis zur Beaufsichtigung an die Seite gestellt. Große, starke Männer mit mächtigen Talenten. Natürlich stand sie unter einem Magierbann, aber trotzdem ging er kein Risiko ein. Sie hatte ihn bereits einmal getäuscht. »Walter?«
Walter Goldsmith schlich an der Tür vorbei. Die vergangenen Tage hatte er sich nicht als sonderlich nützlich erwiesen. Seine Moralvorstellungen standen ihm im Weg und es war Zeit, ihn in die richtige Richtung zu schubsen.
»Bitte?« Er trat an den Türrahmen. Seine Mundwinkel zuckten nervös.
»Ich würde gern die Vorgehensweise besprechen. Nun, da wir die Hexe haben, ist der junge Kevin so gut wie nichts mehr wert.«
Walter nickte, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
»Zwei unserer Späher haben den Wagen aufgetan, in dem Anna Graf sitzt. Sie folgen ihnen, aber wir können nicht angreifen, denn Josh Fingerless sitzt am Steuer.« Er räusperte sich, doch der Kloß, den der Name des Magiers in seinen Hals bildete, ließ sich kaum hinunterschlucken.
»Sie hat sich also tatsächlich auf die Seite der Magier geschlagen?« Walter zog die Augenbrauen hoch und setzte sich.
»Haben Sie an meinen Worten gezweifelt?« Der Mann war ein jämmerlicher Abklatsch seines Vaters. Er fragte sich, ob er überhaupt zu irgendetwas zu gebrauchen war.
»Nein, natürlich nicht.« Er schüttelte hektisch den Kopf.
»Fakt ist, da wir zwei Menschen in unserer Gewalt haben, die Anna Graf am Herzen liegen, können wir es riskieren, einen zu opfern.«
Walter fuhr zusammen und starrte ihn aus großen Augen an.
Aldwyn erinnerte sich an die Zeit, als er seine Berufung angetreten war und feststellen musste, dass eben nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen war. Manche Dinge ließen sich nur durch Gewalt regeln. Auch ihm war die bittere Realität nicht bekommen, aber er hatte es akzeptiert und sich keinesfalls derart schreckhaft angestellt.
»Walter, ich habe das Gefühl, dass sie noch nicht verstanden haben, von welcher Bedeutung unsere Arbeit ist. Unsere Aufgabe ist es, die Talente zu schützen. Wir dürfen keinesfalls zulassen, dass ein Haufen wildgewordener Magier sich die Gaben unter den Nagel reißt, die eigentlich den Menschen bestimmt sind. Wir müssen sie aufhalten. Und da die Geschichte beweist, dass es kein Kinderspiel ist, den Fingerless in die Quere zu kommen, dürfen wir uns nicht davon abbringen lassen. Ganz egal, was es kostet. Die Fingerless sind Mörder. Sie besitzen schon ohne Talente enorme Kräfte, aber welche Macht ihnen innewohnt, seitdem sie begonnen haben, die Fähigkeiten zu stehlen, ist kaum zu überschauen. Wir werden jeden, der meint, sich ihnen anzuschließen, ausmerzen. Haben Sie das verstanden?« Aldwyn trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
Walter nickte zögerlich. »Ich verstehe, was uns dazu bewegen sollte, Aldwyn. Ganz gewiss. Aber der junge Kevin steht nicht auf der Seite der Magier. Deshalb kann und will ich es nicht gutheißen, dass wir ihn als Köder benutzen und im Nachhinein als Kollateralschaden abtun.« Walter geriet ins Stottern. Es kostete ihn sichtbar Mühe, seine Meinung geradeaus zu sagen.
»Ihr Vater war da anderer Ansicht. Wir bekommen Frau Graf nur in die Hände, wenn wir ein mächtiges Druckmittel besitzen und
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