Teuflische Kuesse
traurige Bong brachte ihn dem
Moment näher, wo er den Gang zu Lauras Schlafzimmer
entlanglaufen würde, um die Tür aufzustoßen und ihren schönen, verlogenen
Lippen die Wahrheit zu entreißen.
Nicholas
schlug unerträglich frustriert mit der Hand auf den Toilettentisch. Der
Duftflakon am Rand der Tischplatte fiel auf
den Teppich und überflutete jeden seiner Atemzüge mit dem Duft von
Orangenblüten. Ein stechender Schmerz schoss ihm durch die Kopfhaut. Er
stolperte fluchend zum Fenster und stieß die Flügel auf.
Der warme
Nachtwind wehte den parfümierten Hauch durchs Zimmer, verführerisch wie der
Duft zarter Frauenhaut.
Er lehnte
sich an den Fensterstock, machte die Augen zu und ließ die sanften
Fingerspitzen des Windes sein Haar zerzausen, seine schmerzende Stirn
liebkosen, seinen quälenden Argwohn besänftigen.
Als er die
Augen wieder aufschlug, sah er eine schlanke Gestalt mit wehendem Umhang und
flatterndem dunklen Haar über den Rasen laufen.
Nicholas
war wie betäubt, sein Blut wurde kalt. Er konnte sich nur einen Grund
vorstellen, warum eine Frau am Abend vor der
Hochzeitsnacht ihr warmes Bett verlassen und sich den Gefahren der Nacht
aussetzen sollte. Er sah sie in die Schatten des Waldes verschwinden und war
dankbar für die Benommenheit, die seinen Kopfschmerz ebenso betäubte wie sein
wehes Herz.
Die
alten Bäume ragten
in die Dunkelheit wie das Tor in eine andere Zeit. Ihre verschlungenen Äste
schaukelten im Wind und winkten
Nicholas mit der Anmut einer Geliebten zu sich heran. Er stand am Waldrand, wo
er gerade seine Verlobte hatte verschwinden sehen. Sie hatte ihm keine andere
Wahl gelassen, als ihr zu folgen.
Das
Mondlicht tauchte die Äste über ihm in Silber, erhellte aber kaum den
bemoosten, schmalen Pfad. Je tiefer er in den Wald gelangte, desto finsterer
wurden die Schatten, bis sie ihn zu verschlucken drohten. Nur der unheimliche
Schrei einer kleinen, hilflosen Kreatur, die wohl das Verderben ereilt hatte,
brach das Flüstern des Windes. Der Schrei ließ Nicholas erschaudern, doch sein
Schritt blieb sicher und schnell. Tief im Herzen wusste er, dass er nichts zu
fürchten hatte.
In dieser
Nacht, in diesem Wald, war er selbst das gefährlichste Raubtier.
Laura
hatte sich nie
zuvor bei Nacht in den Wald gewagt.
Sie suchte
sich ihren Weg durchs Labyrinth der Bäume. Es ängstigte sie, ihr
sonnendurchflutetes Königreich in eine Festung der Düsternis verwandelt zu
sehen. Sie hätte geschworen, jeden schartigen Felsbrocken und jede moosige
Senke zu kennen, doch das chaotische Netz aus Schatten und Mondlicht ließ auch
den vertrautesten Orientierungspunkt fremd und bedrohlich erscheinen.
Der Wald
schien Laura nicht länger die Heimat flirrender Feen und kichernder Elfen zu
sein, sondern ungeschlachten Kobolden zu gehören, die auf der Jagd nach einer
jungfräulichen Braut für ihren Herrscher waren.
Laura lief
weiter und versuchte, ihre Kinderphantasien nicht die Oberhand gewinnen zu
lassen. Ohne den sonnigen, blauen Himmel hatte die Gefahr ihren Reiz verloren.
Sie kam
dreimal an ein und derselben geisterhaften Birke vorbei, bis sie begriff, dass
sie im Kreis lief. Sie lehnte sich an den Stamm des Baumes und kämpfte sowohl
um Atem als auch um
Haltung. Ihre Mission erschien ihr langsam wie eine Narretei. Vielleicht fand
sie keinen einzigen Hinweis auf Nicholas' wahre Identität. Doch morgen, wenn
sie mit ihm am Altar stand, würde sie wenigstens wissen, dass sie es versucht
hatte.
Sie zog
sich einen Zweig aus dem Haar und eilte mit entschlossenem Schritt in Richtung
der alten Eiche, wo sie ihn gefunden hatte. Sie wollte gerade über ein kleines
Bächlein springen, als irgendetwas hinter ihr einen Schrei ausstieß, den ein
mächtigerer Kiefer schnell erstickte. Sie stolperte mit einem Fuß ins eiskalte
Wasser, drehte sich um und wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas, das
ebenso hungrig war, auch sie verfolgte.
Ein leises,
aber unmissverständliches Knacken drang aus dem Unterholz an ihr Ohr. Laura
fing zu laufen an, duckte sich unter hängenden Zweigen durch und wich
verschlungenem Wurzelwerk aus, das mit knochigen Fingern nach dem Saum ihres
Umhangs griff. Sie wäre endlos so weitergerannt, hätte sie nicht plötzlich
genau jene Lichtung erreicht, die sie gesucht hatte.
Die alte
Eiche bewachte den Rand der Schlucht und lud mit ihren riesigen Ästen jeden
erschöpften Reisenden zur Rast ein. Das Mondlicht fiel durch eine Lücke im
Blattwerk und erzählte von einem
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