Teuflische List
stieg.
Abigail kreischte.
Hinter ihr schrie Eddie, und die Collies bellten, und der Motor des kleinen Biests brüllte, und vor ihnen stand Francesca. Sie kam rasend schnell näher, näher, und hatte beide Hände vor den Mund geschlagen, und dann rannte Dougie mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
»Nein!«, schrie Abigail. »Daddy, nein! «
Sie landeten.
Eddies Schrei erstarb im selben Augenblick wie der Motor.
Und dann gab es Eddie nicht mehr.
Der Saum von Abigails Jeans verfing sich an einem abgerissenen Chromteil, und das kleine Biest rutschte in einem Funkenregen weiter, kreischend und scheppernd. Francesca sah, dass das Motorrad Douglas treffen würde. Sie warf sich nach vorn, um ihn wegzustoßen, und das kleine Biest traf sie beide und rammte sie in die Wand neben der Vordertür. Blut spritzte auf Francescas Seidenkostüm, und Blut spritzte auf Dougies weißes Hemd, auf die Türschwelle und auf die Blüten des kleinen Zitronenbaums in dem Topf aus Terrakotta, den Francesca sich vor drei Jahren gekauft hatte, weil er sie an Italien erinnerte.
»O Gooott!« Abigail lag auf dem Rücken, das Gesicht dem blauen Himmel zugewandt, und schrie aus Leibeskräften.
Nell und Sammy hörten zu bellen auf und wichen winselnd zurück.
»O Gott, o Gott!«, schrie Abigail immer wieder.
Der einzige andere Überlebende, der noch ein Geräusch von sich geben konnte, war ihre Mutter.
Sie lebte immer noch, als sie eine endlose halbe Stunde später in den Rettungswagen gehoben wurde und nach der Hand ihrer Tochter griff.
»Es ist alles meine Schuld«, schluchzte Abigail. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Blut ihrer Mutter und färbten es rosa. »Oh, Mami, es ist alles meine Schuld!«
»Das darfst du nicht sagen.« Die sterbende Francesca zog sie dicht an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Sag das niemals, zu niemandem … es war Eddie, der gefahren ist, nicht du.« Sie rang nach Luft. »Versprich mir, das allen zu sagen … schwöre es bei allen Heiligen.«
»Aber Mami …«
» Schwöre es«, flüsterte Francesca.
Und das tat Abigail.
»Ihre Mutter ist noch im Rettungswagen gestorben«, erzählte Silas seiner Schwester und beendete damit die Geschichte. »Ihr Vater war bereits tot, und Eddie … auch tot. Er hatte sich das Genick gebrochen. Dank Abigails Mum gab man ihm die Schuld an dem Unfall.« Er hob das Weinglas. »Gelobt sei Gott der Herr für Francesca Allen.«
»Meine Güte«, sagte Jules. »Was für eine Tragödie.« Sie stand auf und schloss Abigail in die Arme. Ihr standen die Tränen in den Augen. »Du armes Ding.«
Abigail starrte sie an. »Hältst du mich denn nicht für eine … eine Bestie?«
»Wegen eines einzigen Augenblicks der Rebellion?« Jules schüttelte den Kopf. »Du warst erst dreizehn. Mein Gott … all der Schmerz, den du erlitten haben musst.«
»Aber was ist mit Eddie?«, fragte Abigail. »Ich habe ihm die Schuld in die Schuhe geschoben.«
»Wie ich schon sagte«, erklärte Silas, »spielte das für Eddie keine Rolle mehr.«
»Aber für seine Eltern«, sagte Abigail.
»Auch nicht«, erwiderte Silas.
Sie schwiegen ein paar Augenblicke.
»Wenigstens hast du jetzt Silas«, bemerkte Jules dann. »Gott sei Dank.«
Abigail schaute Silas an, Jules’ Bruder, ihren schlanken Geliebten mit dem goldblonden Haar, das ihm immer wieder in die Stirn fiel und aus seinem schmalen Gesicht und den wundervollen Augen gewischt werden musste.
»Ich weiß«, sagte sie.
Abigail rang eine Zeit lang mit sich selbst, nachdem Jules gegangen war. Dann aber sagte sie: »Meine Geschichte war nur für dich bestimmt, Silas. Zum Teilen war sie nicht gedacht.«
»Aber sie Jules zu erzählen ist das Gleiche, wie sie mir zu erzählen«, erwiderte er.
»Eigentlich nicht«, sagte Abigail.
»Natürlich. Jules ist ein Teil von mir. So wie du jetzt auch.«
»Bin ich das?«, fragte sie. »Bin ich das wirklich?«
»Für immer«, antwortete Silas.
14.
Lange Zeit nach den Todesfällen, nach den Verhören durch den Sheriff, nach der Untersuchung durch den Staatsanwalt und nach der Beerdigung, nachdem die Farm und das Vieh verkauft und die endlosen Beileidsbekundungen zu Ende waren, hatte Abigail allein in ihrem Zimmer bei Tante Betty gebetet:
»Wenn du meine Eltern wieder zurückbringst, lieber Gott, will ich artig sein, Cello spielen und Eddie nie wiedersehen, und ich will keine Bäuerin mehr werden, sondern das, was Mom und Dad wollen, egal was es ist.«
Und dann, Jahre später, lange nachdem
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