Teuflische List
dass sie – Arbeit hin oder her – jederzeit auf eine Tasse Kaffee bei ihm in Bayswater vorbeikommen könne, sollte sie in der Nähe sein. Abigail erwiderte, das werde sie bestimmt tun.
Eine Woche später rief Nagy an.
»Deine andere Hälfte war hier«, sagte er.
»Was meinst du damit?«, fragte Abigail.
»Silas ist heute zu mir ins Büro gekommen.«
Abigail schwieg. Sie war verwirrt. Silas hatte ihr diesen Morgen gesagt, er würde den größten Teil des Tages bei einem Shooting in der Berners Street verbringen, im West End.
»Er hat mir gesagt, ich solle vergessen, was du mir letzte Woche gesagt hast«, fuhr Charlie fort, »und dass du jederzeit ein Engagement annehmen würdest, sollte ich etwas für dich haben.«
»Gütiger Himmel«, seufzte Abigail.
»Also was nun?«
»Ich ruf dich zurück.«
»Warum hast du das getan, Silas?«, fragte Abigail in jener Nacht, als sie sich unter der schneeweißen Daunendecke, die er mit ihr am Tag ihres Einzugs bei Harrods gekauft hatte, an ihn kuschelte.
»Weil ich das Gefühl hatte, dich enttäuscht zu haben«, antwortete er. »Und das konnte ich nicht ertragen.«
»Falls ich ein wenig enttäuscht gewesen sein sollte«, sagte sie nachdenklich, »dann nur, weil ich geglaubt habe, du würdest mir nicht vertrauen.«
»Ich vertraue dir«, sagte Silas. »Ich bin bloß sehr eifersüchtig.«
»Das weiß ich jetzt, Phönix«, sagte sie.
»Dann wirst du also aufpassen, Abeguile?«
Halb schloss sie die Augen zu einem verschlafenen Lächeln, schob die Decke beiseite, griff nach seiner Hand und legte sie auf ihre linke Brust.
»Du hast mir gar nicht gesagt, wie gut Charlie aussieht«, sagte Silas.
»Ich hab nie darüber nachgedacht.«
»Dann meinst du also auch, dass er umwerfend aussieht?«
»Er sieht ganz gut aus«, räumte Abigail ein.
»Er ist unverheiratet, nicht wahr?«, fragte Silas. »Oder ist er mit jemandem fest zusammen?«
»Soweit ich weiß, nein.«
»Ist er schwul?«
Abigail lächelte. »Nein.«
»Warum lächelst du?«, wollte Silas wissen. »Weißt du aus eigener Erfahrung, dass er nicht auf Männer, sondern auf Frauen steht?«
»Du bist wirklich eifersüchtig, was?«
»Versuch nie, es herauszufinden«, sagte Silas.
16.
»Wie ist Ralph eigentlich so?«, fragte Abigail Ende März nach einer anstrengenden Studiosession mit zwei kleinen Jungen – Zwillinge, die sie den ganzen Tag auf Trab gehalten hatten.
»Du hast ihn doch oft genug getroffen«, antwortete Silas und ließ sich auf die Couch fallen.
»So oft nun auch wieder nicht. Und richtig miteinander geredet haben wir auch nie«, sagte Abigail. Sie dachte nach. »Nur bei unserer Hochzeit. Und einmal bei einer Dinnerparty … und ein andermal in Jules’ Laden.« Nachdem sie und Jules erkannt hatten, wie gut sie miteinander auskamen, half Abigail ihr hin und wieder im Laden, wenn im Studio nichts los war. »Abgesehen davon scheint er ständig zu arbeiten.«
Sie hatten im Standesamt von Marylebone geheiratet, kurz vor Weihnachten. Ihre Flitterwochen hatten sie in Venedig verbracht, wo es um diese Jahreszeit kalt, nass und grau war. Für Silas war es ein großartiger Hintergrund gewesen, sodass er dutzende von Filmen verschossen hatte, was wiederum für Abigail aufregend gewesen war. Als sie die Flitterwochen geplant hatten, hatte Jules die beiden gefragt, ob sie nicht lieber in eine wärmere Gegend reisen wollten, doch Abigail hatte erwidert, dass sie Hitze nicht mochte – jedenfalls keine brütende Sommerhitze, denn die erinnere sie an den schwülen Augusttag, an dem ihre Mutter ihren letzten Geburtstag gefeiert hatte.
»Ralph mag mich nicht«, sagte Silas jetzt.
»Das hast du ja noch nie gesagt.« Abigail war überrascht. »Warum sollte er dich nicht mögen?«
Silas zuckte mit den Schultern. »Das wirst du ihn bei der Party selber fragen müssen.«
Jules hatte zu Ralphs dreißigstem Geburtstag eine Überraschungsparty organisiert; zu Abigail hatte sie gesagt, sie müssten ewig warten, würden sie Ralph die Organisation der Feier selbst überlassen.
»Ich würde nicht im Traum daran denken, ihn das zu fragen«, sagte Abigail. »Wenn Ralph so dumm ist, dass er dich nicht mag, interessiert er mich auch nicht.« Sie hielt kurz inne. »Außerdem … macht Jules das nicht traurig?«
»Ich nehme es an«, antwortete Silas.
Die Party war ein Erfolg, obwohl Abigail nun, da sie darauf achtete, deutlich erkennen konnte, dass Silas Ralph nicht mochte. Jules wiederum wirkte sehr zufrieden, wann
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