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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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er ihr dann einen Kaffee gekocht, ihr aufs Sofa geholfen und das Radio neben ihr angeschaltet hatte, damit sie das Nachmittagshörspiel verfolgen konnte. Abigail hatte schon immer gerne Radio gehört, doch noch nie so sehr wie jetzt. Das Radio, der Walkman und die Hörbücher, die Jules ihr ein paar Tage nach dem Unfall gebracht hatte – Unfall  –, hatten ihr den Verstand bewahrt.
    »Ist schon gut«, sagte sie nun zu Silas. »Du kannst jetzt gehen und dich ein paar Stunden um deine eigenen Dinge kümmern.«
    »Das Hörspiel läuft nur fünfundvierzig Minuten«, sagte er.
    »Ich weiß«, erwiderte Abigail gereizt. »Aber ich kann trotzdem weiterhören.«
    »Und wenn du etwas brauchst?«
    »Das werde ich nicht.« Sie hielt kurz inne. »Warum gehst du nicht einfach mal raus, Silas? Du solltest wirklich ein wenig Zeit im Studio verbringen, deine Post lesen und ein paar Rechnungen bezahlen.«
    »Aber was ist, wenn …«
    »Wenn das Haus abbrennen sollte«, unterbrach ihn Abigail, »verspreche ich, dich anzurufen.«
    »Wenn ich richtig verstanden habe«, sagte Silas, »willst du wohl ein wenig allein sein.«
    »Mein Gott«, entgegnete Abigail »bist du heute aber aufmerksam.«
    Nachdem er gegangen war (und sie war sicher, dass er fort war, denn sie hatte seine Schritte draußen auf dem Weg gehört und dann den VW; offenbar waren ihre anderen Sinne geschärft, nun, da sie nicht mehr sehen konnte) – nachdem er also gegangen war, stellte sie fest, dass er ihr nicht das Telefon gebracht hatte.
    Das war kein Fehler gewesen, dessen war Abigail sicher, auch wenn das der fürsorglichen Pflege vollkommen widersprach, die er ihr sonst angedeihen ließ.
    Also holte sie sich das Telefon selbst. Sie prallte gegen die Ecke des Kaffeetischs und stieß sich den Zeh auf dem Weg zurück, und sie dankte Gott jeden Tag mehrere Male für das Wissen, dass ihr Sehvermögen wenn schon nicht mit Medikamenten, so doch spätestens mit einer Operation wiederhergestellt werden konnte. Schlimmstenfalls würde sie eine Hornhauttransplantation bekommen.
    Die Hornhäute eines Toten.
    Sie dankte Gott für den Tod anderer.
    Und lud sich damit neue Schuld auf.
    Und doch dankte sie Gott für das beruhigende Wissen, dass sie nicht für immer blind sein würde. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, wenn dem nicht so wäre, wenn die Transplantationstechniken noch nicht so weit entwickelt wären.
    Denk gar nicht erst daran, sagte sie sich nun und schwor sich, etwas für Moorfields zu spenden.
    Wieder auf dem Sofa, kam sie mit dem schnurlosen Telefon erstaunlich gut zurecht, solange sie sich Zeit ließ und daran dachte, von der Markierung auf der Fünf aus zu navigieren. Zwar kannte sie die Nummer des Pfarrhauses nicht, doch sie rief bei der Auskunft an und ließ sich direkt verbinden.
    Es dauerte lange, bis jemand abhob. Abigail glaubte schon, es sei niemand da.
    »Bitte«, sagte sie, als sie wartete. »Nimm ab …«
    »Sankt Peter.«
    Es war die atemlose Stimme einer Frau, doch nicht die von Mrs. Kenney.
    »Könnte ich bitte Vater Moran sprechen?«
    »Ich fürchte, das geht nicht«, antwortete die Frau. »Mit wem spreche ich bitte?«
    »Wann erwarten sie ihn denn zurück?«, fragte Abigail.
    »Nicht in nächster Zeit.«
    Abigail verließ der Mut. »Ich werde es später noch mal versuchen«, sagte sie.
    »Er wird auch später noch nicht zurück sein«, sagte die Frau. »Wer spricht da, bitte?«
    »Ein Gemeindemitglied«, antwortete Abigail. Eigentlich wusste sie gar nicht, warum sie ihren Namen nicht genannt hatte.
    »Vater Moran ist fort«, sagte die Frau.
    Das brachte Abigail aus der Fassung. Er hatte nichts von irgendwelchen Reiseplänen gesagt; aber natürlich gab es keinen Grund für ihn, ihr davon zu erzählen.
    »Ist er in Urlaub?«, fragte sie.
    »Würden Sie gern Ihren Namen hinterlassen?«, hakte die andere Frau nach.
    »Abigail Allen«, sagte sie und spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.
    »Vater Moran«, erklärte die Frau zur Belohnung, »ist in den Exerzitien.«
    »Oh«, sagte Abigail hilflos. »Wie lange wird das dauern? Eine Woche?«
    »Ich fürchte, das wird weit länger dauern als nur eine Woche.« Die Frau hielt kurz inne. »Soll sein Stellvertreter Sie zurückrufen, Mrs. Allen?«
    »Nein, danke«, antwortete Abigail rasch und beendete das Gespräch.
    Silas kam ein paar Minuten später wieder zurück.
    »In der kurzen Zeit kannst du unmöglich im Studio gewesen sein«, sagte Abigail.
    »Da war ich auch nicht«, erwiderte er.

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