Teuflische Lust
dich fühlst.«
Sie schnäuzte sich. Kendrael hielt ihr die Hand hin, halfihr auf und führte sie zu einer Bank in der Nähe des Springbrunnens. In diesem Moment war sie sehr verletzlich und dadurch für ihn leicht zu erreichen und zu manipulieren.
Sie ließ sich auf die Bank sinken und blickte zu Boden. In den Händen hielt sie das Taschentuch. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, ihre Augen waren geschlossen und an ihren dichten Wimpern glitzerte ein Tropfen. In diesem Moment schien sie ihm nur noch reiner als sonst.
»Ich habe auch jemanden verloren, der mir sehr nahestand«, erklärte er und setzte sich neben sie, berauscht von ihrem engelsgleichen Anblick. »Das Fatale ist, dass ich mich nicht von der Person verabschieden konnte.«
Alexia öffnete die Augen und sah ihn überrascht an. »Mir ging es ganz genauso.«
Wie sollte sie auch ahnen, dass Kendrael ihre Geschichte längst kannte und zu seinem Vorteil nutzte. Frauen ließen sich auf Männer ein, wenn sie das Gefühl hatten, ihnen vertrauen zu können. Und was verband mehr als eine gemeinsame Leidensgeschichte.
»Mein Großvater«, sagte er und wandte den Blick ab.
Alexia war sich nicht ganz sicher, aber sie glaubte, Tränen in seinen Augen zu sehen. Das Gefühl, ihn in den Arm nehmen und trösten zu wollen, überkam sie sehr plötzlich, aber sie hielt sich aus Unsicherheit zurück. Er legte sich die Hand an seine Stirn und sein Körper sank leicht vornüber. Offenbar hatte sie schlimme Erinnerungen in ihm geweckt. Das tat ihr sehr leid. Sie wusste selbst, wie quälend diese Gedanken sein konnten.
»Er hatte einen Schlaganfall. Doch als ich das Krankenhaus erreichte, war er schon gestorben. Es hätte mir alles bedeutet, ihm Lebewohl zu sagen.«
Alexiakannte diesen Schmerz. Sie wusste genau, wie schrecklich es sich anfühlte, nicht Abschied nehmen zu können. Vorsichtig tastete sie nach seiner Hand.
»Er war meine Bezugsperson«, fuhr Lucas mit tränenerstickter Stimme fort. »Meine Eltern konnten sich nicht um mich kümmern, weil sie beide Ärzte waren. Er war immer für mich da. Nur als er mich am meisten brauchte, war ich nicht in der Nähe.«
›Genau wie bei mir‹, dachte sie und bekam eine Gänsehaut vor lauter Anteilnahme.
»Wann war das?«, fragte sie vorsichtig, in der Hoffnung, dass die Wunden nicht allzu frisch waren.
»Vor fünf Jahren.«
Nein! Vor fünf Jahren war auch ihre Großmutter von ihr gegangen. Sie drückte seine Hand fester. Wie viel sie doch verband. Sie teilten nicht nur gemeinsame Interessen, auch ihre Schicksale glichen sich.
»Merkwürdig ist es schon«, fuhr er fort.
»Was denn?«
Er richtete sich auf, saß gerade neben ihr und wirkte sehr erhaben. »Seit ich mit dir darüber spreche, geht es mir viel besser.«
Er sah sie tief und eindringlich an. Nun konnte sie se-hen, dass tatsächlich Tränen in seinen Augen glitzerten. Sie waren stark gerötet und die helle Iris leuchtete durch den Farbkontrast noch stärker hervor als sonst. Doch es rann keine Träne über seine Wange. Vermutlich wollte er vor ihr Stärke zeigen, analysierte sie. Wie unnötig das eigentlich war. Seine sanfte Seite, die nun durchschien, rührte sie so viel mehr.
Sie rückte etwas näher, in dem Versuch, ihm Halt zugeben. Der Verlust musste schrecklich für ihn sein. Aber seine Worte machten sie auch sehr glücklich.
Lucas schmiegte sich eng an sie. Er strahlte so viel Wärme aus, dass ihr heiß wurde.
»Es ist schön, von jemandem verstanden zu werden.« Ihre Hand glitt hinauf und streichelte sacht sein Gesicht. Wie weich und eben sich seine Haut anfühlte. Sie zeichnete seine Kieferkontur nach, die so männlich ausgeprägt war.
»Es hilft, über den Schmerz zu reden. Du kannst dich jederzeit an mich wenden, Lucas. Wenn ich kann, werde ich dir helfen.«
»Danke. Es hilft bereits zu wissen, dass man nicht allein ist.«
Er seufzte leise. Einen Moment verweilten sie schweigend. Dann beugte er sich über sie und seine Lippen berührten sacht ihre Stirn. Sie hinterließen ein brennendes Feuer auf ihrer Haut, und sie wünschte, dass er sie noch einmal so innig küssen würde wie gestern Nacht.
Nun legte er seinen Zeigefinger unter ihr Kinn und hob es sacht an. Sie konnte sehen, wie sich sein Blick auf ihren Mund konzentrierte, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Seine Augen erinnerten an die eines Raubtiers. Sie waren undurchdringlich, funkelten stolz, aber auch gefährlich. Leicht neigte sie den Kopf zur Seite, in der Erwartung, seine
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