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Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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gewesen. Sie wusch sich noch einmal das Gesicht und
fingerte in der Ledertasche nach dem Lippenstift.
Nachdem sie etwas Rouge aufgetragen hatte, wagte sie
einen zweiten Blick in den Spiegel.
Ganz so verquollen wie zuvor sah sie nicht mehr aus.
Mehr war unter den Umständen wohl nicht zu erreichen.
Sie ging zu ihrem Sitz zurück, wo ein weiteres Glas
Orangensaft auf sie wartete. Ihr Vater hatte es während
ihrer Abwesenheit bestellt. Dankbar trank sie einen
Schluck und schaute zum Fenster hinaus.
Das Flugzeug war bereits im Sinkflug. Bevor es
endgültig zur Landung ansetzte, bekam Teri die Küste von
Maine zu sehen. So etwas Schönes hatte sie nicht erwartet.
Zerklüftete Klippen wechselten sich mit idyllischen
Buchten und sanften Stränden ab. Sie suchte in ihrem
Gedächtnis nach Erinnerungen an ihre frühe Kindheit.
Nichts wollte ihr einfallen. Es war ein völlig unvertrauter
Anblick. Sie wandte sich an ihren Vater. »Eigentlich
müßte ich mich an die Gegend hier erinnern.«
Charles lächelte sie verschmitzt an. »Das wäre ziemlich
ungewöhnlich. Als ihr weggegangen seid, warst du ja
keine drei Jahre alt. Ihr seid in einem Auto
davongefahren.«
Teri schüttelte den Kopf. »Aber an bestimmte Sachen
kann ich mich erinnern. Nicht viel, aber alles ist nicht
weg. Einen großen Rasen und einen Strand sehe ich immer
noch vor mir.«
Charles schmunzelte. »Na ja, in Secret Cove haben wir
unheimlich viel Rasen, und einen Strand kann ich dir auch
garantieren.« Als er sah, wie Teri nervös einen Spiegel aus
der Tasche zog und noch einmal ihr Gesicht prüfend
musterte, glaubte er den Grund für ihre Aufgeregtheit zu
kennen. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Nach
so einem Flug sehen alle zerknittert aus.«
»Was ist, wenn Phyllis und Melissa mich nicht mögen?«
Charles drückte ihr liebevoll die Hand. »Wie oft muß ich
dir noch sagen, daß du überhaupt nichts zu befürchten
hast. Ich habe gestern mit Phyllis telefoniert, und sie
haben ein Zimmer für dich hergerichtet. Es sind sogar
zwei, und du kannst dir das schönste aussuchen.
Außerdem hat Melissa in den letzten zwei Tagen über
nichts anderes geredet als über ihre Schwester.«
Teri hörte die Worte, wußte aber nicht, ob sie sie
wirklich glauben sollte. In den letzten Tagen hatte sie sich
ständig eingeredet, daß alles gut ausgehen würde, daß ihr
Vater sie wirklich bei sich haben wollte und sie nicht
wieder irgendwohin schicken würde.
Aber einmal hatte er sie ja bereits gehen lassen. Es war
lange her, und sie war fast zu klein gewesen, um sich
heute daran zu erinnern.
Was wäre, wenn er sie wieder nicht haben wollte?
Was würde sie dann tun?
    Melissa sah das Flugzeug aufsetzen und auf die
Abfertigungshalle zusteuern. Ohne daß sie es merkte,
spielten ihre Finger nervös am Kragen ihres
Strickpullovers.
    »Um Himmels willen, Melissa!« fuhr ihre Mutter sie
scharf an. »Mußt du denn ständig an allem herumspielen.
Laß den Pullover gefälligst in Ruhe. Vorher war er ganz
sauber – und jetzt? Schau ihn dir an!«
    Melissa ließ die Hände augenblicklich fallen und in den
Hosentaschen verschwinden.
»Was ist, wenn sie mich nicht mag?« fragte sie
aufgeregt.
Mit verzogener Miene sah Phyllis ihre Tochter von oben
herab kalt an. »Ich sehe keinen Grund, warum sie dich
nicht mögen sollte«, erwiderte sie. »Wenn du dir nur ein
bißchen Mühe geben würdest, hättest du auch nirgendwo
Schwierigkeiten. Aber so wirst du nie viele Freunde
haben.«
Melissa biß sich auf die Lippen. Warum hatte sie auch
diese Frage ihrer Mutter gestellt? Nervös spielte sie mit
den Haaren, um die Hände sofort wieder sinken zu lassen.
Die Worte ihrer Mutter waren ihr gegenwärtig: »Wie
willst du jemals schöne Haare haben, wenn du sie dir mit
diesem Gefummel ruinierst?«
Endlich war der Jet zum Stehen gekommen, und einen
Augenblick später sah sie ihren Vater auf sich zukommen.
Wie immer hatte er seine Ledertasche nachlässig über die
Schulter geworfen. Sie stürzte ihm entgegen und schlang
die Arme um ihn, noch während er die Tasche zu Boden
gleiten ließ. Im nächsten Augenblick spürte sie seine
Lippen auf ihrer Wange.
»Hast du mich vermißt?« fragte er. Sie nickte heftig.
Dann befreite er sich sanft aus der Umarmung und drehte
sich zu dem neben ihm stehenden Mädchen um. »Das ist
deine Schwester, mein Liebes.«
Melissa stockte der Atem. Zum erstenmal sah sie Teri
leibhaftig. Sie kam ihr noch schöner vor als auf dem

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